Prädikat: Besonders schädlich! Die DEFA-Verbotsfilme

Karla

DDR 1965, 128 min, DCP, D
Regie: Herrmann Zschoche
Darst.: Jutta Hoffmann, Jürgen Hentsch, Hans Hardt-Hardtloff, Inge Keller, Gisela Morgen, Herwart Grosse, Rolf Hoppe, Jörg Knochée u.a.

Karla Blum kommt frisch von der Universität und soll in einer Kleinstadt im Norden der DDR eine 12. Klasse in Deutsch und Geschichte unterrichten. Als kritisch denkende Lehrerin möchte sie ihren Schützlingen nicht nur Stoff vermitteln, sondern ihnen vor allem selbständiges Denken beibringen. Doch ihre Haltung stösst bei fast allen – den Jugendlichen, den Kollegen und der Schulrätin – auf Unverständnis, denn sie steht im Widerspruch zu den staatlich verordneten und praktizierten Prinzipien. Einzig der vom Krieg und den bitteren Erfahrungen der Nachkriegszeit geprägte Direktor, der die Staatsbürokratie verabscheut, versucht, sie zu unterstützen. Rückhalt findet sie auch in ihrer Liebe zum Journalisten Kaspar, der, weil er die Verbrechen Stalins nicht aufdecken durfte, aus Protest seinen Beruf aufgegeben und resigniert hat. Der 1934 in Dresden geborene Herrmann Zschoche hatte sich seit Beginn der 1960er-Jahre mit einigen Kinderfilmen sowie einem am Ende des Ersten Weltkrieges spielenden Arbeiterdrama («Engel im Fegefeuer») einen Namen im DDR-Kino gemacht, als er sich mit der Verfilmung dieser Drehbuchvorlage seines Kollegen Ulrich Plenzdorf erstmals an einen Stoff aus der Gegenwart seines jungen Staates machte. Die Rolle der zwischen Aufmüpfigkeit und Resignation schwankenden Karla spielte die 24-jährige Jutta Hoffmann, damals Zschoches Lebenspartnerin, mit grossem Enthusiasmus. Glaubwürdig verkörpert sie die starke Titelheldin, die selbstbewusst und ohne Anpassung und Betrug durchs Leben gehen will. Für die Bürokraten und Zensoren war das aber schon zu viel; sie befanden bei einer Visionierung des Rohschnitts, der Film sei zwar gut gemeint, aber objektiv schade er dem Sozialismus. Zwar versuchte Herrmann Zschoche dann noch durch einige verstümmelnde Schnitte die Zensoren zu besänftigen, doch auch das nützte ihm nichts: Der Film verschwand – wie sieben andere des Jahrgangs 1965 auch – unfertig im Giftschrank und konnte erst im Juni 1990 erstmals in einer von Zschoche selbst fertiggestellten Version öffentlich gezeigt werden.

 

Ralf Schenk, Filmhistoriker, Vorstand der DEFA-Stiftung und künstlerischer Leiter der Digitalisierung der DEFA-Verbotsfilme, führt am Mittwoch, 22. März, in den Film ein.

 

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