Rotzloch

CH 2022, 96 Min., DCP, O/d, ab 14 Jahren
Regie: Maja Tschumi
Mitw.: Habibi Aminullah, Mahir Arslan, Amir Safai, Issac Yemane

Der unappetitliche Filmtitel bezeichnet eine Schiffsanlegestelle am Alpnachersee, dem zu Ob- und Nidwalden gehörenden Seitenarm des Vierwaldstättersees. Hinter der Anlegestelle liegt ein Steinbruch, seit Jahren so verlassen wie die angegliederte Zementfabrik mit ihrem trostlosen Bürogebäude. Es ist ein surreal wirkendes Industriegebiet inmitten von Fels und Wasser. Hier sind seit einigen Jahren asylsuchende Männer aus unterschiedlichen Ländern untergebracht – und unter sich. Der erste Kinodokumentarfilm der Regisseurin Maja Tschumi feierte seine Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen 2022 vor einem begeisterten Publikum. Die 1983 in Basel geborene Regisseurin war längere Zeit im Theaterbereich und als Autorin von Kurzfilmen tätig und arbeitete nebenbei als Deutschlehrerin für Asylbewerber. Bei dieser Gelegenheit lernte sie vier im Asylbewerberheim Rotzloch gestrandete Männer kennen und begleitete sie in der Folge über einen längeren Zeitraum durch ihren Alltag. Entstanden ist so ein mutiger Dokumentarfilm – einer, der viel mehr ist als nur ein weiterer Schweizer Beitrag über Geflüchtete, sondern einer, der die Männer ohne ideologische oder moralische Scheuklappen freimütig über ihre Sehnsüchte nach Liebe und Sex, aber auch nach simplen Beziehungen zu Einheimischen sprechen lässt. Maja Tschumi sagt über ihren Erstling: «Im Rotzloch begegneten mir andere Männer als von den Behörden beschrieben. Solche, die einen Anspruch haben an sich und das Leben, die noch begehren, die auch im Konflikt sind mit der neuen Welt, in der sie anzukommen versuchen. Ich beobachtete, dass den Männern im Rotzloch aufgrund der fehlenden Intimsphäre, der Isolation und ihrer sozialen, sprachlichen und ökonomischen Eingeschränktheit nicht nur Kontakte und Kommunikation allgemein, sondern vor allem das Ausleben von Sexualität erschwert und verunmöglicht wurden. Und ich fragte mich: Was hat die öffentliche Diskussion über den männlichen Flüchtling mit den tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen der im Rotzloch lebenden Männer zu tun?»

 

Die Premiere am 6. Dezember findet in Anwesenheit der Regisseurin Maja Tschumi und der Protagonisten statt. Das Gespräch führt Saiten-Redaktorin Corinne Riedener.