Joan Baez I Am a Noise

US 2023, 113 Min., DCP, E/d, ab 12 Jahren
Regie: Karen O’Connor, Miri Navasky, Maeve O’Boyle
Mitw.: Joan Baez, Mimi Fariña, Bob Dylan, David Harris, Gabriel Harris u.a.

Die heute 83-jährige Joan Baez hat Folkmusikgeschichte geschrieben und ist als «Stimme und Gewissen einer ganzen Generation» eine lebende Legende. Im Alter von 18 Jahren, am Newport Folk Festival, begann ihr kometenhafter Aufstieg. Wegen ihres engelsgleichen Äusseren und ihres ätherischen, glockenklaren Soprans sprach die Presse bald von der «barfüssigen Madonna» – in ihr Tagebuch notierte sie dazu den titelgebenden Satz: «I am not a saint. I am a noise.» Das Persönliche war bei ihr immer auch politisch. Als unermüdliche Aktivistin und Bürgerrechtlerin marschierte sie an der Seite Martin Luther Kings nach Washington und demonstrierte gegen den Vietnamkrieg; ihr Engagement galt und gilt Pazifismus und Gewaltlosigkeit. Ausgehend von der Abschiedstournee mit ihrer Band zieht Joan Baez in dieser Filmbiografie schonungslos Bilanz, indem sie sich auch schmerzhaften Erinnerungen stellt. So spricht sie offen über ihre langjährigen psychischen Probleme, verbunden mit einem traumatischen Familiengeheimnis, sowie über Drogenerfahrungen, Therapien, das Altern und Fragen von Schuld und Vergebung. Auch die Enttäuschung über Bob Dylan, der ihr «das Herz brach», nachdem sie seine Karriere in Schwung gebracht hatte, ist immer noch spürbar. Karen O’Connor ist seit 1989 mit Joan Baez befreundet, was ihr und ihren Co-Regisseurinnen einen privilegierten und ungewöhnlich nahen Zugang zur Sängerin erlaubte. Joan Baez stellte ihnen eine Fülle an teils unveröffentlichtem Archivmaterial zur Verfügung, darunter die von ihr eingesprochenen Audiobriefe an die Familie. «Joan Baez I Am a Noise» feierte seine Premiere an der letztjährigen Berlinale in Anwesenheit der Sängerin, als ausführende Produzentin zeichnet u.a. Patti Smith, eine ihrer grossen Verehrerinnen, verantwortlich. Entstanden ist ein überraschendes Porträt voll unerwarteter Einblicke, berührender Momente und Humor über eine ausserordentliche Persönlichkeit und Künstlerin. Karl Gedlicka schreibt in Der Standard: «Wenn Baez zum Abschied im Konzert Fare Thee Well singt, klingt sie wie jemand, der sich mit der Vergangenheit ausgesöhnt hat. Dass die Stimme brüchiger geworden ist, die Töne andere sind als früher, stört nicht im Geringsten, sondern macht Film wie Musik nur schöner.»