Vor der Morgenröte

AT/DE/FR 2016, 106 min, DCP, O/d-f
Regie: Maria Schrader
Darst.: Josef Hader, Barbara Sukowa, Tómas Lemarquis, Charly Hübner, Lenn Kudrjawizki, Harvey Friedman, Ivan Shvedoff, André Szymanski u.a.

Rio de Janeiro, August 1936. Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig ist wenige Tage zuvor zusammen mit seiner Frau Lotte in Brasilien eingetroffen und wird von der dortigen Regierung wie ein Staatsgast empfangen. Seit 1934 lebt der jüdische Pazifist in London im Exil; wegen des sich immer mehr ausbreitenden Faschismus in Europa fühlte er sich auf dem Alten Kontinent nicht mehr sicher. Nach diesem Prolog verfolgt die zweite Regiearbeit der bekannten Schauspielerin Maria Schrader («Liebesleben») in vier Episoden das weitere Leben Stefan Zweigs und seiner Frau Lotte bis zu ihrem gemeinsamen Suizid im Februar 1942. In seinem Abschiedsbrief hatte der – neben Thomas Mann – bedeutendste deutschsprachige Schriftsteller jener Epoche geschrieben: «Ich grüsse alle meine Freunde! Mögen Sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.» Der Österreicher Josef Hader, bis anhin fast nur als umjubelter Kabarettist und Komiker («Der Knochenmann») bekannt, verblüfft in dieser tragischen Rolle, und seine Filmpartnerin Barbara Sukowa steht ihm bezüglich intensiver Präsenz in nichts nach. «‹Vor der Morgenröte› ist zwar ein Historiendrama; aber ein dringliches, aufwühlendes, völlig gegenwärtiges (…) und damit einfach einer der besten Filme des Jahres. Nicht zuletzt liegt das an der Metaebene, mit der Schrader grandios spielt. Während eines Interviews spricht Zweig in ihrem Film von seinen Hoffnungen für Europa und sagt: ‹Ich glaube, dass Pässe und Grenzen eines Tages der Vergangenheit angehören werden. Ich bezweifle allerdings, dass wir das noch erleben werden.› Es ist unmöglich, dabei nicht an die Flüchtenden der Gegenwart zu denken und wie Europa ihnen heute begegnet. Insofern ist es ein Film, der sich ganz im Sinne Stefan Zweigs über die historische Rückschau in die Gegenwart einmischt. Das ist die grösste Reverenz, die Maria Schrader ihm erweisen konnte.» Oliver Kaever, Der Spiegel