Premierenfilm

Un petit frère

FR 2022, 116 Min., DCP, F/d, ab 14 Jahren
Regie: Léonor Serraille
Darst.: Annabelle Lengronne, Ahmed Sylla, Stéphane Bak, Kenzo Sambin, Laetitia Dosch, Sidy Fofana, Milan Doucansi, Audrey Kouakou, Étienne Minoungou u.a.

Paris 1989. Die aus der Elfenbeinküste stammende Rose zieht mit zwei ihrer Söhne, dem zehnjährigen Jean und dem fünfjährigen Ernest, zu Verwandten in die Banlieue der französischen Hauptstadt. Auf die Frage nach dem Vater der Kinder antwortet sie: «Der eine war ein Alter und ist schon lange tot, den anderen will ich nie mehr sehen.» Sie findet rasch eine Stelle als Putzfrau in einem Hotel und verliebt sich in einen Kollegen. Doch die Liaison hält nicht lange. Wenig später geht sie eine Beziehung mit dem verheirateten Besitzer der Hotelkette ein. Dieser überredet sie, mit den Kindern an seinen Wohnort Rouen zu übersiedeln, was allerdings mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist … Über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren und unterteilt in drei Kapitel, die mit den Namen der Protagonist:innen übertitelt sind, erzählt «Un petit frère» vom Kampf einer afrikanischen Migrantin um einen Platz in der französischen Gesellschaft und vom Aufwachsen der Söhne, die ihr bisweilen zu entgleiten drohen. In bewusst harten Zeitsprüngen zeigt der episodisch erzählende Film eine starke Frau, brillant verkörpert von der gebürtigen Senegalesin Annabelle Lengronne, die dem Bild der schwachen und sich Männern unterordnenden Migrantin so gar nicht entspricht. Fünf Jahre nach ihrem Erstling «Jeune femme», der in Cannes mit der Caméra d’Or, dem Preis für das beste Debüt, ausgezeichnet wurde, verblüfft die 1986 geborene Regisseurin und Drehbuchautorin Léonor Serraille erneut. Sie schafft es, als weisse Französin tief in die Lebenswelten von Franko-Afrikaner:innen einzutauchen. Michael Sennhauser schreibt in seinem Blog: «Einen subtileren, raffinierteren Film zu den komplexen Wechselwirkungen zwischen der weissen französischen Gesellschaft und dem Selbstverständnis der Generationen und den Erwartungen der Eingewanderten an sich selbst und die eigene Zukunft werden wir nicht so schnell bekommen. Léonor Serraille geht weit über die ökonomischen und gesellschaftlichen Zwänge hinaus, welche etwa in ‹Tori et Lokita› der Dardennes durchaus klar nachgezeichnet werden. ‹Un petit frère› ist ein sehr komplexer Film, der sich ganz einfach schauen und verstehen lässt. Und damit ein Genuss mit Spitzen.»

 

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