Menschenskind!
Regie: Marina Belobrovaja
Marina Belobrovaja ist 36, als sie das Ticken der biologischen Uhr immer stärker spürt. Sie möchte ein Kind, hat aber keinen Partner für das Abenteuer Elternschaft. So entschliesst sie sich – mit dem Segen ihrer in Israel lebenden Eltern und Grossmutter – zu einer Schwangerschaft mittels Samenspende. Auf «natürlichem Weg» zeugt sie mit einem Mann, der als Samenspender bereits 60 Kindern in die Welt verhalf, ihre Tochter Nelly; diese wird 2013 geboren. Die Kamera ist in diesen Momenten und auch über die Jahre hinweg stets diskret präsent; immer wieder bezieht Marina Belobrovaja neben ihrer Tochter Nelly auch ihre Eltern und ihre Grossmutter mit ein. In der Gegenüberstellung ihrer eigenen, unkonventionellen Lebensweise mit jener der Elterngeneration schafft die Regisseurin wiederholt Situationen voller leiser Komik. Auch die Begegnung mit einem Altersgenossen, der in der DDR durch Samenspende gezeugt wurde, sowie das Treffen mit einer ziemlich ausgefallenen Patchworkfamilie schildert sie mit leichter Hand. Das Ergebnis ist eine so radikal subjektive wie formal lockere und verspielte Langzeitbeobachtung einer mutigen Protagonistin, die sich drängenden gesellschaftlichen Fragen über Elternschaft, Frauen- und Männerbilder und überholten Rollenvorstellungen so ernsthaft wie selbstironisch annähert. Marina Belobrovaja kam 1976 in Kiew in der damaligen Sowjetunion zur Welt. Als sie 14 war, übersiedelten ihre jüdischen Eltern mit ihr nach Israel. Mit 19 zog sie für ein Kunststudium nach Berlin und begann eine Filmausbildung, die sie in Zürich abschloss, wo sie heute noch lebt. Laura Hertreiter schreibt in der Süddeutsche(n) Zeitung: «Marina Belobrovajas Tochter Nelly wächst über Jahre vor der Kamera auf. Klingt nach Rührstück, aber dafür geht die sowjetisch-israelische Filmemacherin viel zu hart mit sich selbst und anderen ins Gericht. Sie hat einen feinen Film gemacht, über ihr Kind und Elternkonstellationen jenseits der Norm. Über das grosse Glück, aber auch die Verletzungen und die Wut, die das mit sich bringen kann. Dass man nach 80 Minuten das Gefühl hat, der Familie Belobrovaja sehr nah gekommen zu sein, liegt auch daran, wie die Mutter das Muttersein mit kippender, wackelnder, draufhaltender Kamera einfängt. Unvorhersehbar, lustig, beklemmend, nervtötend, wunderschön.»