Premierenfilm

Das neue Evangelium

CH/DE/IT 2020, 107 min, DCP, O/d-f, ab 6 Jahren
Regie: Milo Rau
Mitw.: Yvan Sagnet, Maia Morgenstern, Enrique Irazoqui, Marcello Fonte, Flüchtlinge, Aktivisten und Bürger der europäischen Kulturhauptstadt 2019 Matera

Wie würde Jesus Christus heute leben, was würde er predigen und wer wären seine Jünger? Diese Fragen standen für Milo Rau am Anfang seines neuen filmischen Projekts. Der international bekannte Regisseur und künstlerische Grenzgänger, dem der St.Galler Kulturpreis verweigert wurde, begibt sich dafür in die süditalienische Höhlenstadt Matera, die 2019 europäische Kulturhauptstadt war. 1964 war sie bereits Schauplatz von Pier Paolo Pasolinis «Il Vangelo secondo Matteo», 2004 drehte Mel Gibson hier seinen blutrünstigen «The Passion of the Christ». Zusammen mit dem aus Kamerun stammenden Yvan Sagnet, einem Politaktivisten, der jahrelang als Tomatenpflücker die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen auf den Feldern Süditaliens erlitt und heute die Arbeiter zu organisieren versucht, geht Milo Rau in die Flüchtlingslager bei Matera, dokumentiert die elenden Lebensbedingungen und sucht nach Darstellern für sein «Neues Evangelium». Herausgekommen ist, wie stets bei Milo Rau, ein hochpolitisches, formal komplexes Gesamtkunstwerk, das von der sozialen Botschaft der Bibel getragen wird. Christine Dössel schreibt in der Süddeutsche(n) Zeitung: «So gelingt Milo Rau eine reizvolle Hybridform aus Dokumentar- und Spielfilm, aus Pamphlet und Passion, Arthouse und Aktionismus, inklusive eines Making-of. (…) Erstaunlich, wie gut das Konzept aufgeht und welche ‹echten› Menschen es beglaubigen. (…) Es fehlt auch nicht die Reminiszenz an die filmhistorischen Vorgänger. Der greise Pasolini-Jesus Enrique Irazoqui (gestorben im September 2020) wirkt als Johannes der Täufer mit und gibt dem schwarzen Messias Rollen-Tipps. Maia Morgenstern, die Maria aus Mel Gibsons Film, ist auch hier die verzweifelte Mater dolorosa. Die eigentliche Passionsgeschichte wird dagegen knapp abgehakt. Die Botschaft läuft denn auch nicht auf den schwarzen Mann am Kreuz und eine religiöse Mission hinaus – die meisten Darsteller sind Muslime –, sondern im Nachspann auf eine sozialpolitische Wirkung. Da sieht man Yvan Sagnet Monate später in einem Supermarkt. Er hält eine Dose Tomaten aus fairer Produktion in die Kamera (‹eine Tomatensauce der Würde!›), versehen mit dem Gütesiegel seiner Vereinigung ‹No Cap›, die sich für die Rechte der Erntehelfer einsetzt. Auch eine Art von Auferstehung.»

 

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