
Gemma Bovery
Regie: Anne Fontaine
Darst.: Gemma Arterton, Fabrice Luchini, Jason Flemyng, Elsa Zylberstein, Niels Schneider, Isabelle Candelier, Mel Raido u.a.
Als 1856 Gustave Flauberts Roman «Madame Bovary» in Paris erschien, war er ein Skandal. Die Geschichte der jungen Aufsteigerin Emma Bovary, die als Frau eines Landarztes zwei heftige Affären hat, ihren Mann finanziell ruiniert und sich schliesslich aus Liebeskummer umbringt, ging der damaligen Gesellschaft zu weit: Flaubert kam wegen «Verherrlichung des Ehebruchs» vor Gericht. Von so viel Gratis-Promotion können heutige Literaten nur träumen: Flaubert wurde freigesprochen, der Roman ist seither Weltliteratur und hat Generationen von Künstlern beschäftigt. 1934 verfilmte Jean Renoir den Stoff erstmals, ihm folgten rund ein Dutzend Madame-Bovary-Verfilmungen, die bekanntesten stammen von Vincente Minnelli und Claude Chabrol. Nun hat Anne Fontaine, Frankreichs cineastische Spezialistin weiblichen Begehrens (ihr Erotikdrama «Nathalie» lief im Kinok-Openair) den filmischen Umsetzungen dieser alten Geschichte eine gegen den Strich gebürstete Neuinterpretation entgegengesetzt, basierend auf der gleichnamigen Graphic Novel von Posy Simmonds. Mit viel spielerischer Freude zeigt «Gemma Bovery», was geschieht, wenn ein Mann von heute sich mit Flauberts Universum überidentifiziert. Im Zentrum steht Martin, einst Lektor, der mit seiner Frau ins Heimatdorf in der Normandie zurückkehrt und hier eine Bäckerei betreibt. Als eines Tages die junge Engländerin Gemma Bovery und ihr Mann Charlie in das Nachbarhaus einziehen und Martin bald darauf beobachtet, wie Gemma fremdgeht, ist er überzeugt, in ihr eine Art Reinkarnation von Flauberts Romanfigur gefunden zu haben. Fabrice Luchini, der gerade erst als ehemaliger Schauspielstar Serge in Philippe Le Guays «Molière à bicyclette» – auch eine Neuinterpretation eines Literaturklassiker – zu bewundern war, spielt nun bei Anne Fontaine die Figur des Martin mit mindestens so grossem Vergnügen wie in jener heiteren Sommerkomödie. «Ein so unterhaltsamer wie bemerkenswert komplexer Film, der mit feministischem Blick die Dominanz männlicher Phantasien hinterfragt.» Michael Meyns, programmkino.de