
Kurt Gerron
Der Führer schenkt den Juden eine Stadt & Aufschub
Regie: Kurt Gerron, D 1945, 18 min, D.Regie: Harun Farocki, D/SRK 2007, 40 min, stumm.
DER FÜHRER SCHENKT DEN JUDEN EINE STADT«Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet», so der korrekte Titel des Filmes – den Titel «Der Führer schenkt den Juden eine Stadt» scheinen die für ihren schwarzen Humor bekannten Häftlinge von Theresienstadt geprägt zu haben –, ist Kurt Gerrons letzte Regiearbeit. Selbst Insasse des KZs Theresienstadt wurde Kurt Gerron von der SS verpflichtet, einen Film über das Lager zu drehen und es als angenehmen Aufenthaltsort zu porträtieren. Der Propagandafilm über das «Musterghetto» sollte die Vernichtungspolitik der Nazis verschleiern. Der Film zeigt einen ganz «normalen» Tag in Theresienstadt; Hunderte von Lagerinsassen wurden als Statisten eingesetzt. In den Kinos war der Film, der nur als Fragment erhalten geblieben ist, nie zu sehen. Er kam zu spät: Im Juli 1944 war Majdanek befreit worden, im Januar 1945 Auschwitz. Die Welt wusste bereits um das wahre Schicksal der Juden.
AUFSCHUB
«Aufschub» spielt in Westerbork, einem Zwischenlager der nach Bergen-Belsen und Auschwitz Deportierten, in dem auch Kurt Gerron und seine Frau inhaftiert waren. Er ist aus dem gleichen Grund entstanden wie «Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet». Auf Anfrage des SS-Offiziers Gemmeker hat der deutsche Jude Breslauer mit einer 16mm-Kamera einen in Richtung Todeslager abfahrenden Konvoi sowie Arbeits- und Freizeitszenen gefilmt. «Farocki nimmt in ‹Respite› tonlose 16mm-Aufnahmen, die ein Insasse des holländischen KZ-Transitlagers Westerbork für den Lagerkommandanten drehte, als Ausgangspunkt, um in Zwischentiteln Fragen über den Wahrheitsgehalt der Bilder, Manipulation, Propaganda und Intention aufzuwerfen. (…) Gleichzeitig gibt Farocki mit diesem Archivfilm den Opfern des Holocaust auch ein Gesicht, wenn er einen Jungen beim Besteigen eines Deportationszugs zeigt oder dem Gesicht einer später in Auschwitz ermordeten Frau mittels einer Kofferaufschrift einen Namen zuschreibt.» Walter Gasperi, kultur-online.net
Susanne Heim, Politikwissenschaftlerin und Historikerin mit den Themenschwerpunkten Nationalsozialismus, Holocaust und internationale Flüchtlingspolitik, Berlin, führt am Mittwoch, 4. April, 20 Uhr in die beiden Filme ein.