
Tár
Regie: Todd Field
Darst.: Cate Blanchett, Noémie Merlant, Nina Hoss, Sophie Kauer, Adam Gopnik, Sylvia Flote, Sydney Lemmon, Mark Strong, Nicolas Hopchet, Zethphan D. Smith-Gneist u.a.
Lydia Tár ist als erste Frau Chefdirigentin eines bedeutenden deutschen Orchesters. Privat ist sie mit ihrer Konzertmeisterin Sharon Goodnow liiert; die beiden haben ein Mädchen adoptiert. Tár beginnt eine Affäre mit einer jungen Cellistin, was ihrer Lebenspartnerin nicht verborgen bleibt. Als eine ehemalige Schülerin Társ sich umbringt und man sie dafür verantwortlich macht, gerät ihre Existenz in bedrohliche Schieflage. US-Regisseur Todd Field machte 2001 und 2006 mit den Tragödien «In the Bedroom» und «Little Children» Furore. Nach einer Pause von über 15 Jahren entwirft er mit einer diabolisch aufspielenden Cate Blanchett ein verstörendes, fiktives Porträt einer manipulativen Ausnahmekünstlerin. Bei den diesjährigen Oscars war «Tár» als Favorit in sechs Kategorien nominiert, ging aber unverständlicherweise leer aus. Ganz anders ein halbes Jahr zuvor am Filmfestival Venedig, wo «Tár» seine Weltpremiere im Wettbewerb feierte und Cate Blanchett den Preis als beste Schauspielerin gewann. Florian Keller schreibt in der WOZ: «Dass es hier ausgerechnet eine Frau ist, die ihre Macht missbraucht, noch dazu in einer Männerdomäne, in der so viele Vorfälle aktenkundig sind: Das hat für Unverständnis gesorgt. Aber sollen wir diese schillernde, widersprüchliche, ja monströse Figur denn gleich wieder auf ein paar identitäre Marker reduzieren? Vordergründig ist ‹Tár› ein extrem elitärer Film. Dabei nimmt er es einfach sehr genau mit dem Milieu, in dem er spielt. Und eben, Lydia Tár ist in diesem Milieu selbst zugezogen, eine Aufsteigerin, wie der Film erst spät zeigt. Tár musste ihre soziale Herkunft auslöschen, um die Sphäre der Hochkultur zu erobern. Und man begreift: Wenn sie doziert, dass man für die Kunst seine Identität auflösen müsse, war das für sie zuallererst biografische Notwendigkeit für ihren Aufstieg. Aber wieso sollte es die nächste Generation ihr gleichtun? Ihre Tragik besteht dann darin, dass sie in der Musik, vor dem Orchester, die Tempi kontrolliert, den Lauf der Zeit also buchstäblich in der Hand hat – und paranoid wird, als ihr dämmert, dass ihre eigene Zeit ablaufen wird.»