
No Bears
Regie: Jafar Panahi
Darst.: Jafar Panahi, Naser Hashemi, Vahid Mobasheri, Bakhtiyar Panjeei, Mina Kavani, Narges Delaram, Reza Heydari, Javad Siyahi, Yousef Soleymani, Amir Davari u.a.
Ein iranischer Regisseur hat sich in einem Dorf an der Grenze zur Türkei eingemietet. Über eine wacklige Internetverbindung leitet er eine Filmcrew, die auf der türkischen Seite ein Flüchtlingsdrama dreht. Dabei mischt sich die Wirklichkeit ins Filmgeschehen: Die Hauptdarstellerin, ein Folteropfer, rechnet fest damit, tatsächlich wie im Skript vorgesehen mit ihrem Lebenspartner nach Paris fliehen zu müssen. Zwar hatte der Regisseur gehofft, durch sein Projekt das reale Leben zum Besseren zu wenden, doch das erweist sich auch für ihn als Illusion. Denn im Dorf macht ihm eine verschworene Gemeinschaft das Leben schwer, verdächtigt ihn, ein heimliches Liebespaar fotografiert zu haben. Als er das gewünschte Beweismaterial schuldig bleibt, erweisen sich die zunächst freundlichen Dorfbewohner:innen und ihre angeblichen Traditionen als nicht weniger bedrohlich als die Diktatur, in der sie leben. Jafar Panahis neunter Spielfilm ist bereits der fünfte, den «der weltweit wohl mutigste bekannte Filmemacher» (Jake Coyle von Associated Press) heimlich realisiert hat. Seit er 2010 von einem iranischen Gericht wegen «Propaganda gegen die Regierung» zu zwanzig Jahren Berufsverbot und sechs Jahren Hausarrest verurteilt wurde, hat der Regisseur in jedem seiner Filme die Grenzen des Tolerierten so weit ausgereizt, dass man darob nur staunen kann. So auch in «No Bears», in dem er, wie auch in den früheren vier Filmen, die Hauptrolle selbst spielt und mit seiner Figur eine andere Version seiner selbst verkörpert: grimmig ironisch und voll unverwechselbarem Schalk. Gedreht wurde «No Bears» im Herbst 2021, den fertigen Film reichte Panahi auf Umwegen im Frühsommer 2022 für den Wettbewerb des Filmfestivals Venedig ein – wo er den Spezialpreis der Jury erhielt. In der Zwischenzeit, am 22. Juli 2022, wurde Panahi verhaftet und ein Gericht ordnete den sofortigen Vollzug der sechsjährigen Haftstrafe in Teherans berüchtigtem Evin-Gefängnis an. Als Panahi im Januar einen unbefristeten Hungerstreik begann, wurde er Anfang Februar gegen Kaution freigelassen. Ende April erhielt er überraschend seinen Pass zurück und reiste daraufhin zu seiner Tochter nach Frankreich, wo er vorläufig lebt.