Die Nachbarn von oben

CH 2023, 88 Min., DCP, Dialekt, ab 12 Jahren
Regie: Sabine Boss
Darst.: Sarah Spale, Ursina Lardi, Roeland Wiesnekker, Max Simonischek, Uma Thoenen u.a.

Thomas und Anna sind ein Ehepaar in den Fünfzigern und haben eine Tochter im Teenageralter. Da diese gerade bei einer Freundin übernachtet, hat Anna kurzentschlossen Salvi und Lisa, die Nachbar:innen von oben, zu einem ungestörten Apero eingeladen. Diese sind rund ein Jahrzehnt jünger als Thomas und Anna und wohnen noch nicht lange in dem mehrgeschossigen Mietshaus in Zürichs Innenstadt. Thomas, der als Lehrer tätig ist, zeigt sich allerdings wenig erfreut über die Initiative seiner Gattin, er möchte lieber seine Ruhe, zudem hat er Prüfungen zu korrigieren. So beginnt er herumzumeckern, sie hätte ihm nur gesagt, sie wolle die Nachbarn einmal einladen und nicht, dass sie sie bereits eingeladen habe. Das sei ein gewichtiger semantischer Unterschied, belehrt er sie und offenbart damit seine pedantische Seite. Diese tritt noch deutlicher zutage, als zwischen den beiden eine heftige Diskussion über die lauten Sexgeräusche entbrennt, die von oben regelmässig zu hören sind. Mitten in diesem Streit klingelt es, die Nachbar:innen stehen strahlend vor der Tür und Salvi lacht zur Begrüssung: «Wir lieben kontroverse Themen.» Damit ist der Ton gesetzt in diesem brillanten Kammerspiel um Beziehungsfrust, Lebenslügen, unausgelebten Sex und das Gefühl, alles verpasst zu haben. Die Zürcher Regisseurin Sabine Boss, die vor 21 Jahren bereits mit ihrem ersten Kinospielfilm «Ernstfall in Havanna» brillierte und seither mit Werken wie «Der Goali bin ig» oder «Jagdzeit» an diesen Grosserfolg anknüpfen und sich als gewichtigste weibliche Stimme im Bereich populärer Schweizer Filme etablieren konnte, hat mit «Die Nachbarn von oben» eine so intelligente wie tiefgründige Komödie geschaffen. Thematisch und von der Ausgangslage her erinnert der Film, der seinerseits ein Remake der spanischen Komödie «Sentimental» von Regisseur Cesc Gay («Truman») ist, ein Stück an Werke wie «Who’s Afraid of Virginia Woolf» von Mike Nichols oder «Carnage» von Roman Polanski. Roeland Wiesnekker als grantig-aggressiver Lehrer Thomas, Ursina Lardi als sexuell ausgehungerte Hausfrau Anna, Max Simonischek als abenteuerlustiger Feuerwehrmann Salvi und Sarah Spale als experimentierfreudige Psychologin Lisa schenken sich in schneidend scharfen Dialogen nichts – es ist eine wahre Lust, ihnen dabei zuzusehen.