EO

PL/IT 2022, 86 Min., DCP, O/d, ab 16 Jahren
Regie: Jerzy Skolimowski
Darst.: Sandra Drzymalska, Tomasz Organek, Mateusz Kosciukiewicz, Lorenzo Zurzolo, Isabelle Huppert, Lolita Chammah, Agata Sasinowska, Anna Rokita, Piotr Szaja u.a.

Der Film beginnt mit einer betörenden, in rotes Licht getauchten Szene: In der Manege eines kleinen polnischen Zirkus führen ein zierlicher Esel und eine schöne Artistin unter dem Beifall des Publikums eine anmutige Nummer vor. Kasandras Beziehung zu ihrem Gefährten Eo ist innig. Als der Zirkus Bankrott geht, werden alle Tiere beschlagnahmt, und auch Eo wird von seiner untröstlichen Besitzerin getrennt. Ein elegantes Pferdegestüt ist die erste einer Reihe von Stationen, die der Esel auf seiner Odyssee durchläuft. Auf seiner Reise durch Europa begegnet er einer Reihe von Menschen, die ihm mal gutmütig, mal gleichgültig, mal ablehnend gegenüberstehen. Der 84 Jahre alte polnische Regisseur Jerzy Skolimowski sorgte mit seinem erfrischend wagemutigen Film, der als Anwärter für die Goldene Palme gehandelt wurde, letztes Jahr in Cannes für Aufsehen. Inspiriert von Robert Bressons legendärem «Au hasard Balthazar» (1966), schildert Skolimowski Gefühle, Gedanken und Erinnerungen aus der komplexen Sicht seines tierischen Protagonisten. Die atemberaubende Kamera ist nahe an Eo, aber auch nahe an anderen Tieren, denen er begegnet. Wiederholt sind Passagen durch Zeitlupe gedehnt und rot eingefärbt und damit als innere Bilder, Traumbilder, aber auch mystische Naturerfahrung oder apokalyptische Szenerie gekennzeichnet. Durch Eos Augen erfahren wir unsere Ignoranz und Begrenztheit sowie die Ohnmacht der Tiere, die vielfältige Formen der Ausbeutung ertragen müssen. Adam Sanchez spricht im GQ Magazine von einem «kinematografischen Schock» und schreibt: «‹EO› ist eine aufregende Odyssee mit homerischen Dimensionen, ein visuelles Gedicht und eine animistische Fabel, aber vor allem ist ‹EO› ein Werk von absoluter Schönheit und ungeahntem Reichtum. Hinter der fantasievollen Prämisse des Films, den verrückten Wanderungen eines einsamen Esels, schleichen sich unsere Ängste ein: die Katastrophen unseres Konsumwahns, unsere Orientierungslosigkeit, unsere illusorische Suche nach einem Paradies, in dem alle Formen des Lebendigen gedeihen. Es sind diese beunruhigenden und obsessiven Bilder, die es ‹EO› ermöglichen, sich dauerhaft in unseren Köpfen festzusetzen und uns nicht mehr loszulassen. Es ist das Offensichtliche eines sehr grossen Films.»