Mittagsstunde

DE 2022, 93 Min., DCP, O/d, ab 12 Jahren
Regie: Lars Jessen
Darst.: Charly Hübner, Peter Franke, Hildegard Schmahl, Gro Swantje Kohlhof, Nicki von Tempelhoff, Jan Georg Schütte, Rainer Bock, Gabriela Maria Schmeide u.a.

Ingwer Feddersen ist Dozent an der Universität Kiel und nimmt ein Sabbatical, um sich um seine betagten Eltern zu kümmern, die in Nordfriesland im Dorf Brinkebüll leben. Für den 47-Jährigen ist diese Auszeit auch eine Gelegenheit, einige Zeit aus einer Dreierbeziehung rauszukommen und sich im Heimatdorf über sein Leben klar zu werden. Zuhause, bei «Mudder» und «Vadder», wird er nicht gerade überschwänglich empfangen. Ella Feddersen ist stark dement und Sönke Feddersen war noch nie ein Mann grosser Gefühle. Der alte Wirt des Dorfgasthofs nimmt es seinem Sohn wohl immer noch übel, dass der einst beschlossen hatte, lieber zu studieren als den Gasthof zu übernehmen. Ingwer, ein wortkarger Melancholiker, nimmt stoisch die Herausforderungen auf sich, welche die Pflege der beiden Eltern mit sich bringen. Das Dorf und die Bevölkerung haben sich seit seiner Kindheit und Jugend stark verändert, doch manche Orte, Gegenstände und Geräusche lassen ihn immer wieder in Erinnerungen abtauchen, wie an die grossen Zukunftsverheissungen zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren, die dem Dorf letztlich nur Schaden brachten. Und an Marret, die eines Tages spurlos verschwunden war. Regisseur Lars Jessen hat mit «Mittagsstunde» den gleichnamigen Bestseller von Dörte Hansen verfilmt, der 2018 erschienen ist. Buch und Film erzählen das «Kuddelmuddel» einer Familie und den Niedergang eines Dorfes über eine Zeitspanne von 50 Jahren im elegant-assoziativen Wechsel zwischen den Jahrzehnten. «Die schrägen Gestalten sind mit grosser Sympathie gezeichnet und stehen ohne jede nostalgische Verklärung für ein Leben, das es so nie mehr geben wird», schreibt Ulrich Sonnenschein in epd Film über den «wunderbar sanftmütigen Film». Viel Kritikerlob gibt es insbesondere für Hauptdarsteller Charly Hübner in der Rolle des introvertierten, nachdenklichen Ingwer, der wie die weiteren Darsteller:innen im Film Plattdeutsch spricht. Bert Rebhandl lobt in der FAZ, Hübner liefere als Ingwer Feddersen «ein kleines Meisterstück» ab.

 

Der Bonner Philosoph Martin Booms führt am 9. November in den Film ein und diskutiert anschliessend mit dem Publikum über «Stadt oder Land? Eine Heimatsuche».