Drii Winter

CH/DE 2022, 137 Min., DCP, Dialekt/d, ab 12 Jahren
Regie: Michael Koch
Darst.: Michèle Brand, Simon Wisler, Josef Aschwanden, Elin Zgraggen, Daniela Barmettler, Daniel Imholz u.a.

Es beginnt wie das Setting eines Westerns: Ein Fremder ist kürzlich in ein abgelegenes Dorf gezogen, wo die Alteingesessenen eine verschworene Gemeinschaft bilden. Das Dorf befindet sich allerdings nicht in den Weiten der Prärie, sondern in einem unzugänglichen Bergtal der Urner Alpen. Mit Misstrauen und Argwohn beobachten die Dörfler den Fremden aus dem Unterland. Marco heisst der bullige Kerl mit einem Nacken wie ein Stier und einer Gestalt wie ein Schwingerkönig. Wenn er beim bärtigen Bergbauern Alois, bei dem er Arbeit gefunden hat, mit dem Vorschlaghammer Zaunpfähle ins steile Wiesenland treibt, spürt man seine Kraft. Doch Marco ist nicht nur ein zupackender Arbeiter, er hat im Dorf auch seine grosse Liebe gefunden. Anna serviert in der Dorfbeiz und hat noch einen Job als Briefträgerin. Denn in dieser abgeschiedenen Bergwelt muss, wer überleben will, mehrere Arbeiten ausführen. Als geschiedene Mutter einer kleinen Tochter ist auch sie eine Aussenseiterin. Als die beiden in der Dorfkirche heiraten, scheint das Glück perfekt und das Gerede der Leute hört auf. Doch nur für kurze Zeit, denn bald erschüttert ein Schicksalsschlag das Leben des jungen Paares … Wie eine griechische Tragödie nimmt diese Geschichte ihren Lauf – wortkarg, unspektakulär, immer mit der rauen Bergwelt im Hintergrund. Regisseur und Drehbuchautor Michael Koch setzt sie bewusst wie eine zusätzliche Filmfigur ein und führt das Kino so zu seinen Ursprüngen, dem Erzählen in Bildern, zurück. Denn gesprochen wird in «Drii Winter» nur das Nötigste, gelacht wird nie. Neben den ästhetischen Qualitäten der berauschenden Bilder des deutschen Kameramanns Armin Dierolf und den schauspielerischen Leistungen des ganz aus Laien bestehenden Ensembles ist es der für einen Schweizer Film ungewöhnliche Mut zur Tragödie, der dieses Werk auszeichnet. Teresa Vena lobt es im Filmbulletin als «‹alternativen› Heimatfilm» und «visuell und emotional anspruchsvolles Erlebnis, mit dem das Kino wahrhaftig und auf unprätentiöse Art als Sehnsuchtsort gefeiert wird». An der diesjährigen Berlinale war «Drii Winter» im Wettbewerb ein Favorit von Publikum und Kritik. Dass die Jury ihn schliesslich nur mit einer «Mention» bedachte, stiess auf viel Unverständnis. Nun geht er für die Schweiz ins Oscar-Rennen.

 

Die Premiere am 6. September findet in Anwesenheit der beiden Hauptdarsteller:innen Michèle Brand und Simon Wisler statt. Das Gespräch führt der Filmjournalist Geri Krebs.