Der siebente Kontinent

AT 1989, 104 Min., DCP, D/f, ab 16 Jahren
Regie: Michael Haneke
Darst.: Birgit Doll, Dieter Berner, Leni Tanzer, Udo Samel, Silvia Fenz, Robert Dietl, Georg Friedrich, Georges Kern, Elisabeth Rath u.a.

Das Ehepaar Anna und Georg hat sich mit seiner zehnjährigen Tochter Eva in einem ereignislosen, austauschbaren Alltag aus häuslichen Routinen und Erwerbsleben eingerichtet. Obwohl es ihnen an nichts fehlt, entfremden sie sich zunehmend von ihrem Umfeld. Die Briefe, die Anna an Georgs Eltern schreibt, sind emotionslos und eine Ansammlung von Banalitäten. Die Leere und Isolation ihres Lebens werden exemplarisch in den ersten beiden Kapiteln des Films deutlich. Im dritten schreibt Georg schliesslich selbst an seine Eltern und teilt ihnen nüchtern mit, er habe gemeinsam mit Anna die Entscheidung getroffen wegzugehen. In der Folge erleben wir eine ebenso bestürzende wie konsequente Abnabelung von der Aussenwelt: Georg und Anna bestellen die Zeitung ab, kündigen ihre Stellen, lösen das Bankkonto auf und verkaufen das Auto. Inspiriert durch einen Zeitungsartikel zeigt Michael Haneke den «entschiedenen Weg einer Kleinfamilie in den Selbstmord, absolute Demontage des Heims inklusive – weniger als Befreiungsakt, denn als Fortführung des Nicht-Lebens», schreibt das Österreichische Filmmuseum. An den Festivals von Cannes und Locarno, wo das radikale Werk 1989 den Bronzenen Leoparden gewinnt, erregt Hanekes erster Kinofilm grosses Aufsehen und macht ihn einem grösseren Publikum bekannt. Oliver Armknecht schreibt auf film-rezensionen.de: «Tatsächlich ist es das, was hier am schnellsten auffällt: Die Geschichte ist völlig frei von Leben. Das ist für ein Drama meistens das Todesurteil, bei Haneke jedoch Teil des Konzepts. (…) Das Schockierende dabei ist nicht einmal, wie die Geschichte der Familie endet. Es ist die Konsequenz, mit der sie endet. Haneke erzählt nicht von einem Anfang, von einer ausbrechenden Wut. Vielmehr ist sein Drama sachlich, genau, seziert ohne Eile eine bürgerliche Familie aus einer Wohlstandsgesellschaft, so wie man etwas in den Müllschlucker wirft. Und es ist eben diese Distanz, die fehlende Emotion, die einem hier so zusetzt und das dringende Bedürfnis weckt, wegzugehen, abzuhauen, dem Gefängnis zu entkommen, das uns hier vorgesetzt wurde.» «Der siebente Kontinent» ist der erste Teil von Hanekes «Trilogie der emotionalen Vergletscherung» der postindustriellen Konsumgesellschaft.