L’Événement

FR 2021, 100 Min., DCP, F/d, ab 14 Jahren
Regie: Audrey Diwan
Darst.: Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Luàna Bajrami, Louise Orry-Diquéro, Louise Chevillotte, Pio Marmaï, Sandrine Bonnaire, Leonor Oberson u.a.

Die junge Literaturstudentin Anne stammt aus einfachen Verhältnissen auf dem Land. An einer Uni in der nahen Provinzhauptstadt geht sie mit viel Begeisterung ihrem Studium nach; sie träumt vom Ausbruch aus der Enge und dem sozialen Aufstieg, den ihre Eltern nie geschafft haben. Als sie ungewollt schwanger wird, scheint alles in Frage gestellt. Das Kind zu behalten, ist für sie keine Option. Das soziale Stigma einer ledigen Mutter würde ihre Ambitionen im bigotten Frankreich der frühen 1960er-Jahre zunichte machen. Doch Abtreibungen sind illegal und so beginnt für Anne ein traumatischer Spiessrutenlauf. Der zweite Spielfilm der jungen französischen Regisseurin Audrey Diwan basiert auf dem im Jahr 2000 erschienenen, gleichnamigen Roman von Annie Ernaux, in dem sie beschreibt, wie sie sich 1964 als 24-jährige Literaturstudentin in Rouen einer Abtreibung unterzog und dabei fast gestorben wäre. An seiner Weltpremiere am letztjährigen Filmfestival von Venedig gewann «L’Événement» den Goldenen Löwen. Regisseurin Audrey Diwan ist damit erst die fünfte Frau in der Geschichte des ältesten Filmfestivals der Welt, die diesen prestigeträchtigen Hauptpreis erhalten hat. Wolfgang Höbel schreibt im Spiegel: «Die Kunst der Autorin Ernaux ist die unerbittliche Vermischung von autobiografisch Erlebtem und soziologischer Diagnose. Audrey Diwan schafft es auf beklemmende Weise, Ernaux’ Arbeitsweise in Filmbilder zu übersetzen. In manchmal wackeligen Einstellungen nimmt sie sehr direkt die Perspektive der Studentin Anne ein, die mit dem Geld ihrer proletarischen Eltern studiert. Diwan zeigt Anne im Vorlesungssaal, beim Tanzen in einer Studentenbar und in der Enge ihres Wohnheims. Sie zeigt die Gemeinheit der Ärzte. Aber auch die mangelnde Solidarität und verlogene Moral vieler junger Frauen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Geschlechterdiskriminierung, die dieser Film schildert, sind in vielen Momenten empörend. Einmal sucht die Heldin Schutz in der Umarmung ihrer Mutter und wendet sich ruppig ab. Tatsächlich scheint sie, als sie das Martyrium überstanden hat, eine neue Familie gefunden zu haben: den Universitätsbetrieb und die Welt des Geistes. Sie scheinen für Anne ein besseres, freieres Zuhause zu sein.»