News from Home

BE/FR/BRD 1976, 85 Min., DCP, F/e, ab 16 Jahren
Regie: Chantal Akerman

Mit der Ausstellung «Che bella voce» von Manon de Boer (*1966, Kodaikanal) lädt das Kunstmuseum St.Gallen zur ersten Präsentation der in Brüssel lebenden indisch-niederländischen Künstlerin in der Schweiz und gibt einen Überblick über ihr bisheriges Schaffen, das sich hauptsächlich dem Medium Film widmet. Mit der Präsentation ihrer Videos verleiht die Ausstellung der menschlichen Stimme besonderes Gehör, die im filmischen Werk von de Boer das Spannungsverhältnis von Bild und Ton erweitert. Wie das Bild ist die Stimme Informationsträger und ästhetischer Gegenstand zugleich. Die Filme der belgischen Filmemacherin Chantal Akerman (1950–2015), einer Pionierin des experimentellen Films, waren für das Frühwerk de Boers von grosser Bedeutung, insbesondere «News from Home», den Akerman Ende der 1970er-Jahre in der bankrotten Stadt New York realisierte, die aufgrund von wirtschaftlicher Stagnation und dem Wegzug des Mittelstands in Armut darbte. Pittoreske Stadtaufnahmen überlagern sich mit einem Voiceover, das von Akerman selbst gesprochen wird. Die Regisseurin liest aus Briefen, die sie in New York von ihrer Mutter aus Brüssel erhalten hat. Die Mutter-Tochter-Beziehung und das Fremdsein in der Ferne sind Inhalt des Briefwechsels. Die für die 1970er-Jahre kennzeichnende matte Farbgebung des analogen Films und die präzisen Standaufnahmen von Strassenschluchten, Backsteinhäusern, Diners und von Passant:innen in Glockenhosen und mit breiten Kragen erfassen den Charakter der Stadt und der Zeit. Es gibt keine konkrete Handlung. Das Vergehen der Zeit mit den sich überlagernden Briefen der Mutter und dem Porträt der Stadt definieren den Film. Diese Kombination aus Aussen- und Innensicht finden sich auch in den Filmarbeiten von de Boer. Text: Fabian Flückiger

 

Fabian Flückiger, Kurator der Ausstellung «Che bella voce», führt in das Werk von Chantal Akerman und Manon de Boer ein.