Olga

CH/FR/UK 2021, 85 Min., DCP, O/d-f, ab 12 Jahren
Regie: Elie Grappe
Darst.: Anastasia Budiashkina, Sabrina Rubtsova, Caterina Barloggio, Thea Brogli, Tanya Mikhina, Jérôme Martin, Alicia Onomor, Lou Steffen, Alexandr Mavrits u.a.

Die junge, talentierte Kunstturnerin Olga lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter, einer Journalistin, die sich kritisch mit der Janukowytsch-Regierung auseinandersetzt, in Kiew. Olgas grösster Wunsch ist es, an der Europameisterschaft teilzunehmen, dafür trainiert sie hart. Als in der Ukraine die Euromaidan-Proteste ausbrechen, herrscht in Kiew der Ausnahmezustand: Die Massen strömen auf die Strassen, mittendrin Olgas Mutter, die das Geschehen euphorisch verfolgt und journalistisch begleitet. Olga fühlt sich vernachlässigt und hat Angst, dass ihrer Mutter etwas zustossen könnte. Als die beiden eines Nachts von einem Auto attackiert werden, schickt die Mutter Olga in die Schweiz, damit sie sich dort in Ruhe auf die Meisterschaft vorbereiten kann. Doch auch da stellt die Revolution Olgas Leben auf den Kopf. Zur Sorge um ihre Mutter kommen die Schwierigkeiten mit der fremden Sprache und die Rivalitäten mit ihren Turnkolleginnen. Elie Grappes vielfach preisgekröntes Spielfilmdebüt, das im Sportzentrum Magglingen gedreht wurde, ging für die Schweiz ins Oscar-Rennen. Eindrucksvoll arbeitet der Regisseur in seinem Erstling die cineastischen Qualitäten der Sportrituale für das Kino heraus: das Einbinden und Kalken der Hände, das Besprühen des Barrens, der Blick vor dem Sprung, das Zögern vor dem Start, der Körper in Bewegung, die Wiederholungen, Gelingen und Misslingen. Die ruhigen Sequenzen in der lichtdurchfluteten Trainingshalle stehen in starkem Kontrast zu den verpixelten Fernseh- oder Handyaufnahmen der Proteste und korrelieren mit Olgas Zerrissenheit zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat. Grosse Authentizität gewinnt der Film dadurch, dass die Protagonistinnen mit Eliteathletinnen besetzt wurden. Eindrucksvoll gelingt es Hauptdarstellerin Anastasia Budiashkina, Olga als ernsthafte Sportlerin, aber auch als verletzlichen Teenager zu zeigen. Beiläufig und ohne viele Dialoge verhandelt der Film eine Vielzahl von Themen: Es geht um Fragen der Identität, des politisches Engagements und um moralische Konflikte. Elie Grappe erzählt mit stilsicherer Hand, berührend und mit einer klaren cineastischen Vision – ein Name, den man sich merken muss.