Costa Brava, Lebanon

LB/FR/ES/SE/DK/NO/QA 2021, 106 Min., DCP, O/d-f, ab 16 Jahren
Regie: Mounia Akl
Darst.: Nadine Labaki, Saleh Bakri, Yumna Marwan, François Nour, Liliane Chacar Khoury, Seana Restom, Nadia Charbel, Geana Restom, Ceana Restom u.a.

«Wohin sollen wir diesmal fliehen?», fragt Souraya halb im Scherz, halb resigniert. Vor rund zehn Jahren hat sie sich zusammen mit ihrem Mann Walid aus dem in Müll und Korruption versinkenden Beirut abgesetzt und sich fernab der Hauptstadt, abgeschieden in den Bergen, ein kleines Paradies geschaffen. Mit den beiden Töchtern und Walids lungenkranker Mutter lebt Familie Badri inmitten von Olivenhainen ein alternatives Idyll mit eigenem Gemüseanbau, einer kleinen Hühnerzucht und selbst gebautem Pool. Doch das relative Glück wird existenziell bedroht, als auf dem verlassenen Nachbargrundstück plötzlich riesige Bulldozer auffahren und sie erfahren, dass die Regierung es beschlagnahmt hat, um hier eine «umweltfreundliche» Mülldeponie zu errichten. Der Abfall der Gesellschaft, vor dem sie geflohen sind, taucht buchstäblich vor ihrer Haustüre wieder auf und wirbelt das friedliche Leben der libanesischen Familie durcheinander. Denn mit dem Anstieg der Müllberge wachsen auch lange unterdrückte Spannungen unter den Familienmitgliedern. Während Walid, einst ein engagierter Journalist und Aktivist, und die aufgeweckte neunjährige Rim kampfbereit auf passiven Widerstand setzen, sehnt sich Souraya, die früher eine berühmte Sängerin war, insgeheim nach dem Stadtleben zurück. Die 16-jährige Tala verspürt erste sexuelle Regungen und verguckt sich in einen der Bauaufseher, und auch die temperamentvolle Gossmutter Zeina ist über den wiederaufkeimenden Kontakt zur Aussenwelt alles andere als unglücklich. Getragen von einem grossartigen Ensemble gelingt der jungen libanesischen Regisseurin Mounia Akl mit ihrem charmanten Regiedebüt ein fesselndes Familiendrama, das auch als elegante politische Allegorie funktioniert. Im Mikrokosmos der Familie Badri spiegeln sich die wachsenden Konflikte der libanesischen Gegenwart – von der Müllkrise 2015 bis zu den Explosionen am Hafen von Beirut – und über allem schwebt die Frage, was sich der Dekadenz einer korrupten Welt entgegensetzen lässt. Herausgekommen ist ein kleines Familiendrama von immenser Symbolkraft.