
And the Winner Is … Average Happiness & Saitenstich
«Am Anfang eines guten Films steht eine gute Drehbuchvorlage und dazu braucht es eine Idee, die das Potenzial zu einem Film hat. Bereits zum dritten Mal schreibt die St.Galler Filmförderung den Treatment-Wettbewerb aus. Denn sie ist einerseits überzeugt, dass damit dank vergleichsweise bescheidenen Beiträgen wirkungsvoll filmische Ereignisse angestossen werden können. Andererseits ist sie auch daran interessiert, noch nicht ausgeschöpfte Stärken des Kantons wie mögliche Drehorte oder st.gallische Themen und Geschichte besser sichtbar zu machen. Mit der St.Galler Filmförderung, die über einen jährlichen Lotteriefondsbeitrag in der Höhe von neu 830’000 Franken finanziert ist, werden gute Rahmenbedingungen für eine Förderung des Filmschaffens mit Bezug zum Kanton geboten. Der zweijährlich ausgeschriebene Treatment-Wettbewerb ist Teil davon. Nach der dritten Durchführung wird dieses ausserordentliche Instrument einer Evaluation unterzogen und über die Weiterführung entschieden. Von den beiden vorangegangenen Treatment-Wettbewerben 2017 und 2019 werden Entwicklungsschritte und Resultate der bislang ausgezeichneten Projekte allmählich sichtbar. «Friedas Fall» von Michèle Minelli, 2017 im Wettbewerb unter dem Titel «Die Verlorene» ausgezeichnet und basierend auf einer Kindstötung von 1904 durch die St.Galler Damenschneiderin Frieda Keller, geht bei der Zürcher Condor Films in die Herstellung. Der Filmemacher Remy Blaser aus Buchs ist mit seinem Projekt «Fiat Lux» von 2019 bzw. unterdessen «Post Lux» in die Projektentwicklungsphase vorgestossen, und wir sind gespannt, wie sich die skurrile Geschichte mit Faktenanbindung rund um eine Sekten-Familie Richtung Realisierung weiterentwickelt. Zur aktuellen Durchführung des öffentlich ausgeschriebenen Treatment-Wettbewerbs sind insgesamt 26 Eingaben eingegangen. Das freut und fordert die Jury, bestehend aus Brigitte Hofer, Produzentin maximage, Martin Witz, freier Filmschaffender, sowie Ursula Badrutt, Esther Hungerbühler und Geschäftsführerin Mireille Loher seitens der Kulturförderung des Kantons. Die Bekanntgabe der maximal vier mit 15’000 Franken prämierten Vorhaben erleben Sie an diesem Abend im Kinok.»Ursula Badrutt, Leiterin Kulturförderung Kanton St.Gallen
Verleihung der Treatment-Preise 2021 in Anwesenheit der Preisträgerinnen und Preisträger, der Filmschaffenden Marcel Gisler und Raphaela Wagner sowie von Brigitte Hofer, Martin Witz, Ursula Badrutt, Esther Hungerbühler und Mireille Loher. Freier Eintritt.
Im Anschluss an die Preisverleihung:
Average Happiness
CH 2019, 7 Min., DCP, Animationsfilm, ohne Dialog
Drehbuch und Regie: Maja Gehrig
Ein paar Klicks und schwupps – statistische Erhebungen lassen sich dank ausgeklügelten Programmen übersichtlich visualisiert auf einen Blick erfassen. Spielraum gibt es keinen, die Lage der Welt ist damit präzisiert, Genderdaten zum Beispiel werden unerbittlich sichtbar. Doch was ist mit dem Eigenleben der Statistiken, ihrer Selbstbestimmung? «Während einer Powerpoint-Präsentation brechen Diagramme aus dem engen Korsett ihrer Koordinaten aus. Eine Reise in die sinnliche Welt der Statistik beginnt. Tortendiagramme schmelzen, Pfeildiagramme masturbieren, Börsenkurven, Balken- und Streudiagramme führen sich zum gemeinsamen Höhepunkt.» (Swissfilms) Der künstlerisch experimentelle Umgang mit der numerischen Erfassung der Welt hat die St.Galler Filmförderung von «Onaniegramm», so der ursprüngliche Titel des inzwischen mehrfach ausgezeichneten Kurzfilms von Maja Gehrig, auf Anhieb überzeugt.
Saitenstich
CH 2021, 12 Min., DCP, Dialekt
Drehbuch und Regie: Raphaela Wagner
Darst.: Lona Böni, Michelle Graf, Philipp Langenegger, Manuel Müller, Pascal Ulli, Michèle Breu
Um die fehlenden Saiten ihrer Violine für den angebotenen Auftritt zu ersetzen, muss sie nicht nur erfinderisch sein, sondern auch die Hierarchien der Stickerei-Industrie überwinden. Die Geschichte der neunjährigen Emma Steinlin und wie das Arbeiterkind in der textilbesessenen Ostschweiz ihren Traum umsetzt, sich gegen ihr Schicksal des Fadenfädelns wehrt, Selbstvertrauen und Lebenslust findet, erzählt die junge, 1999 geborene und in Trübbach lebende Filmerin Raphaela Wagner. Sie entführt in die Welt von damals, nutzt die St.Galler Altstadt oder den Lindensaal in Heiden für historische Aufnahmen, doch beim Stoff von damals geht es auch um die Bedeutung von Visionen, Mut und Herzensangelegenheiten heute. Emma träumte vom Geigenspielen, wie wohl auch Raphaela Wagner vom Filmemachen geträumt hat. Nun ist sie mit nur 21 Jahren bereits eine ausgezeichnete Regisseurin mit vielen weiteren Ideen und Plänen.
Texte: Ursula Badrutt, Leiterin Kulturförderung
Die St.Galler Premieren finden in Anwesenheit der Regisseurin Raphaela Wagner statt.