Ich habe in Moll geträumt

CH 2021, 78 min, DCP, Dialekt/D/d, ab 12 Jahren
Regie: Ueli Meier
Mitw.: Thomas Sarbacher, Margrit Rufer, Urs Rufer, Sara Rufer, Gabriella Lorenz, Günter Gallas, Margrith Schaub, Andreas Staebler, Jörg Wizigmann u.a.

«Wie soll man das nennen, wenn einer in seinem Leben ein einziges Buch publiziert: ‹Der Himmel ist blau. Ich auch› – und dann mit 44 Jahren an einer Leberzirrhose stirbt?» Es ist die heute 80-jährige Margrit Rufer, Witwe von Walter Rufer, die diese rhetorische Frage stellt. Den Schriftsteller, Dichter und Schauspieler Walter Rufer (1931–1975) kennt kaum jemand. Das ist nicht weiter verwunderlich, da er ausser dem erwähnten, 1963 erschienenen Gedichtband mit dem Untertitel «Schwabinger Tagebücher» nie etwas veröffentlichen konnte. Was unverständlich ist, wenn man von der Fülle von unveröffentlichten Theaterstücken und Hörspielen erfährt. Mit ihrer unglaublichen Lakonie und dem trockenen Humor erinnern seine Kurzgedichte an Joachim Ringelnatz oder Christian Morgenstern: «Die Welt ist rund./Weiss das auch meines Nachbars Hund?/Dem Hund diese Frage persönlich gestellt. /Er hat, wie sollte er anders, gebellt.» Die Gedichte, von Thomas Sarbacher gelesen, bilden das Zentrum dieses Dokumentarfilms, der in kluger Weise die Biografie von Walter Rufer nachzeichnet. Als junger Mann zog Rufer in den 1950er-Jahren aus der engen Schweiz ins weniger enge München, um Schauspieler zu werden. Als er vom Theater gefeuert wurde, setzte er sich in den Kopf, Literat zu werden. Er wurde Teil der Schwabinger Boheme-Szene, wo der Alkohol in Strömen floss, hatte eine längere Liebesbeziehung mit einer reichen, verheirateten Frau, schrieb wie besessen und träumte von seinem Durchbruch als Künstler. 1967 kehrte er resigniert in die Schweiz zurück, lernte seine spätere Frau Margrit kennen und versuchte, ein bürgerliches Leben als Redaktor und Familienvater zu führen. Ueli Meier, vor Jahren mit «Tibi und seine Mütter» bekannt geworden, bietet Zeitzeugen, darunter einen Künstlerkollegen Rufers aus Schwabing und die Literaturkritikerin einer Münchner Boulevardzeitung, auf und unterlegt seinen Film mit Auftritten des Münchner Trash-Country-Duos «Dos Hermanos», das 2007 Rufers Gedichte entdeckte. Zu Wort kommen auch Walter und Margrit Rufers Kinder Urs und Sara, die ihren Vater kaum gekannt haben. Über seinen Film sagt Ueli Meier: «Mir ging es vor allem um das Dilemma eines Traums vom Dasein eines Dichters und der Tatsächlichkeit des Lebens.»

 

Die Vorstellung vom 10. August findet in Anwesenheit des Regisseurs Ueli Meier statt. Das Gespräch führt Anya Schutzbach, Leiterin Literaturhaus Wyborada St.Gallen.