Im Lauf der Zeit

BRD 1976, 175 min, DCP, D, ab 12 Jahren
Regie: Wim Wenders
Darst.: Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Rudolf Schündler, Marquard Bohm, Hans Dieter Trayer, Franziska Stömmer, Peter Kaiser, Patrick Kreuzer u.a.

Seit zwei Jahren ist Bruno alias «King of the Road» in seinem zur fahrenden Werkstatt umfunktionierten alten Möbelwagen unterwegs. Entlang der deutsch-deutschen Grenze repariert er Filmprojektoren in sterbenden Provinzkinos und hat sich ganz gut im Alleinsein eingerichtet. Da rast eines Morgens vor seinem amüsierten Blick der frisch getrennte Robert in suizidärer Absicht mit einem nigelnagelneuen VW-Käfer in die Elbe – krabbelt dann doch mit seinem Koffer durchs Verdeck und rettet sich an Land. Bruno nimmt sich seiner an, bietet ihm eine Mitfahrgelegenheit an und verpasst ihm den Spitznamen «Kamikaze». Es ist der Beginn einer wortkargen Männerfreundschaft, die sie durch deutsches Niemandsland von der Lüneburger Heide bis in den Bayerischen Wald führen soll … Wim Wenders begann diesen letzten Teil seiner Roadmovie-Trilogie ohne Drehbuch. Nur die Reiseroute stand fest, die er zuvor erkundet hatte: all die Kleinstädte entlang der Zonengrenze, in denen es in dieser Zeit des grossen Kinosterbens noch Lichtspieltheater gab. Wolf Donner schrieb 1976 in Die Zeit: «Schon in der Anfangsszene zeigt sich der ganze Charme dieses Films: seine Spontaneität und Intensität, seine Lakonik und seine Melancholie. In drei, vier Minuten ist eine Stimmung geschaffen, ein Thema intoniert. (…) Ein Männerfilm, schon wieder, aber einer ohne den frauenfeindlichen Zynismus der amerikanischen Vorbilder. (…) ‹King› und ‹Kamikaze› sind kontaktgestört, nicht misogyn. Statt durch muntere Aktivität, quasischwule Kumpanei und inhumane Herablassung oder Verteufelung die Überflüssigkeit des anderen Geschlechts zu suggerieren, schlagen sie sich, sehr deutsch, redlich mit sich selber herum: zwei Träumer und Narren, Metaphysiker der Landstrasse, zwei deutsche Hamlets, die mit den Vätern hadern, den Gang zu den Müttern antreten und ins weite Land der Seele reisen. (…) Bewegungen, verwirrend schöne und suggestive Bildabläufe, Kompositionen von grosser Poesie und technischer Perfektion machen den besonderen Reiz dieses dreistündigen Schwarzweissfilms aus. (…) Die handwerkliche Virtuosität von ‹Im Lauf der Zeit› wird die Cineasten süchtig machen.»