Falsche Bewegung

BRD 1975, 103 min, DCP, D, ab 12 Jahren
Regie: Wim Wenders
Darst.: Rüdiger Vogler, Hanna Schygulla, Hans Christian Blech, Nastassja Kinski, Peter Kern, Ivan Desny, Marianne Hoppe, Lisa Kreuzer, Adolf Hansen u.a.

«Du hast nichts zu sagen, mein Lieber.» Mit diesen Worten wird der junge Wilhelm Meister von seiner Mutter auf die Reise geschickt. Er möchte Schriftsteller sein. Dazu fehlen ihm zwei entscheidende Eigenschaften: Empathie und das Interesse an Menschen. So soll er hinaus in die Welt, auf dass er etwas erlebe und – vielleicht – Inspiration finde und sich selbst entdecke. Trotz seiner zwischenmenschlichen Unbeholfenheit schart er auf seinem Weg von Glückstadt bei Hamburg über Bonn, ein Schloss am Rhein bis zu einer Vorortsiedlung von Frankfurt ein illustres Reisegrüppchen um sich: den Mundharmonika spielenden alten Laertes, der mit seiner Nazi-Vergangenheit kämpft und mit dem stummen Mädchen Mignon unterwegs ist, eine ätherische Schauspielerin, in die er sich kurzzeitig verliebt, und einen verwirrten jungen Poeten. Am Ende der Reise findet er sich aber wieder allein an der einsamen Zugspitze und die Welt ist ihm fremd wie zuvor. Frei nach Goethe legt Wim Wenders zusammen mit seinem Jugendfreund Peter Handke einen modernen filmischen Bildungsroman als Roadmovie vor und bürstet ihn letztlich gegen den Strich: «Wir verehrten beide das Buch von Goethe, wobei wir uns sagten, dass die emanzipatorische Bewegung im Roman heutzutage zu nichts, nirgendwohin führen würde. Die Reise als Lehrzeit, um die Welt zu begreifen, dieser Traum war für uns heute nicht mehr denkbar. Unser Film wäre demnach die Reise eines Menschen, der hofft, die Welt zu greifen, und das Gegenteil geschieht.» Eine «Falsche Bewegung» gewissermassen, die seinerzeit mit sieben deutschen Filmpreisen ausgezeichnet wurde. Der Spiegel lobte: «Was durch Handkes Text, Wenders‘ Regie, das Farb- und Lichthandwerk seines Kameramannes Robby Müller und die physische Authentizität, die körperliche und emotionale Freiheit aller Schauspieler, die präzise Technik entstanden ist, wirkt nun im Kino wie etwas gänzlich Neues, wie eine filmische Bewusstseins- und Stilrevolution. (…) Das macht ihren Film ‹Falsche Bewegung› zu einem der wichtigsten deutschen Filme seit Lubitsch, Lang und Murnau.»