Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien

DE 2020, 124 min, DCP, D, ab 16 Jahren
Regie: Bettina Böhler
Mitw.: Christoph Schlingensief, Margit Carstensen, Irm Hermann, Udo Kier, Susanne Bredehöft, Alfred Edel, Sophie Rois, Helge Schneider, Tilda Swinton u.a.

An der Documenta X gab er 1997 in Kassel die Parole aus: «Tötet Helmut Kohl!». Vor der Staatsoper in Wien sorgte er 2000 mit seiner Aktion «Bitte liebt Österreich!» für Aufruhr, bei der er mit beissender Ironie forderte: «Ausländer raus!». Am Schauspielhaus Zürich inszenierte er 2002 «Hamlet» – mit Neonazis als Darstellern. Beim Happening in Kassel – einer Hommage an Josef Beuys mit dem Titel «Mein Filz, mein Fett, mein Hase» – wurde er verhaftet, in Wien brachte er eine smarte FPÖ-Politikerin vor laufender Kamera zum Hyperventilieren und in Zürich schäumte ein jugendlicher Roger Schawinski vor Wut. Christoph Schlingensief, der 1960 geborene Apothekersohn aus Oberhausen, mischte von den 1980er-Jahren bis zu seinem frühen Tod im August 2010 die saturierte Kulturwelt im deutschsprachigen Raum auf wie kein anderer. Der Aktionskünstler betätigte sich als Theaterregisseur, Autor, Performer, initiierte visionäre Projekte wie etwa ein Operndorf in Burkina Faso und verwirrte das Bayreuther Publikum mit seiner Wagner-Inszenierung. Begonnen hatte der Autodidakt Schlingensief mit experimentellen Horrorfilmen, die Titel trugen wie «Mutters Maske» oder «100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker». Bei zwei solcher Werke – «Das deutsche Kettensägenmassaker» und «Terror 2000» – war die Cutterin Bettina Böhler mit von der Partie. Böhler, die im Laufe ihrer langen Karriere über 80 Filme montiert und mit so unterschiedlichen Regisseuren wie Christian Petzold, Marcel Gisler und Oscar Roehler zusammengearbeitet hat, dringt in ihrem ersten Dokumentarfilm tief ins Schlingensiefsche Universum ein und nimmt uns mit auf eine schwindelerregende Zeitreise. «Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien» sind zwei Stunden dicht montierter Ausschnitte aus Interviews, Talkshows, Theateraufführungen, Lesungen und Privataufnahmen. Bettina Böhler präsentiert sie ohne Kommentar und kommt Schlingensief dabei so nah, dass man am Ende bedauert, dass dieser grandiose Höllenritt schon zu Ende ist. Patrick Wildermann schreibt im Tagesspiegel: «Schlingensief fehlt, sehr sogar. (…) Ihm wär’ schon was eingefallen zu den vielen Themen dieses Landes und dieser Welt.»