Eine andere Geschichte

CH 1993, 180 min, Dialekt/F/d, DCP, ohne Altersbeschränkung
Regie: Tula Roy
Mitw.: Gertrude Duby-Blom, Amalie Pinkus-De Sassi, Lydia Woog, Iris von Roten, Marie Boehlen, Marianne Frischknecht, Ursula Koch, Christine Goll, Yvette Jaggi u.a.

Tula Roys dreiteiliger Dokumentarfilm, der 1993 auf Anregung von Zürcher Feministinnen entstanden ist, ruft bedeutende Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht und die Gleichstellung in der Schweiz ins Gedächtnis. Anhand von Archivmaterial und Interviews mit politisch aktiven Frauen schildert sie den jahrzehntelangen Kampf der Schweizerinnen für ihre Rechte zwischen 1910 und 1991. Die beiden Eckdaten stehen für zwei wichtige Ereignisse: Am 8. März 1910 wurde erstmals der Internationale Frauentag gefeiert, und am 14. Juni 1991 wurde in der Schweiz zum ersten nationalen Frauenstreiktag aufgerufen. Dank der Fülle von Bild- und Tondokumenten erzählt «Eine andere Geschichte» ein elektrisierendes Stück Schweizer Geschichte aus weiblicher Sicht und stellt eine Reihe von wichtigen Zeitzeuginnen vor. Die Regisseurin arbeitete im Wettlauf mit der Zeit, denn zwölf ihrer Interviewpartnerinnen waren schon sehr betagt und starben kurz vor der Fertigstellung des Films. Die Porträtierten sprechen nicht nur über den Kampf um Frauenrechte, sondern auch über linke Bewegungen, Arbeitskämpfe und antifaschistisches Engagement. Im ersten Teil kommen die frühe Umweltaktivistin Gertrude Duby-Blom, die Politaktivistin Amalie Pinkus-De Sassi und die Kommunistin Lydia Woog zu Wort. Der Mittelteil der Trilogie widmet sich u.a. der wegen ihres polemischen Manifests «Frauen im Laufgitter» heftig angefeindeten Feministin Iris von Roten. Der dritte Teil thematisiert die Jahre ab 1960, als die Gründung der Frauenbefreiungsbewegung FBB einen Paradigmenwechsel markierte und die Frauen nach 1971 die Politik endlich aktiv mitbestimmen konnten. Anlässlich der Wiederaufführung im Rahmen der Solothurner Filmtage 2021 schreibt die Direktorin Anita Hugi: «Bis heute ist dieser Film eine eigentliche Erleuchtung: ein ‹ins Licht rücken› zentraler Momente unserer Geschichte, die ab dem Karren der offiziellen Erzählung gefallen waren – oder gestossen wurden? Der Film stellt klar: Die Frauen waren im 20. Jahrhundert in der Schweiz keine Randerscheinung, sondern standen im Zentrum der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Film ist auch eine fantastische Zeitreise: mit unbekannten Archiven und über zwanzig Gesprächen ermöglicht er eine persönliche Begegnung mit prägenden Frauen, die Geschichte geschrieben haben – auch wenn ihre Spur immer wieder verloren ging oder verwischt wurde. Dieser Film ist eine Bombe – eine positive Erschütterung althergebrachter Gewissheiten.»