Santiago, Italia

IT/FR/CL 2018, 80 min, DCP, O/d
Regie: Nanni Moretti
Mitw.: Nanni Moretti, Patricio Guzmán, Arturo Acosta, David Muñoz, Miguel Littín, Carmen Hertz, María Luz García, Rodrigo Vergara, Victoria Sáez u.a.

Seit Augusto Pinochets Militärputsch in Chile gegen die demokratisch gewählte sozialistische Regierung von Salvador Allende sind fast 46 Jahre vergangen. Wie für viele linkspolitisch Aktive seiner Generation war der Putsch in Chile, der eines der hoffnungsvollsten gesellschaftspolitischen Experimente der jüngeren Geschichte brutal beendete, ein Ereignis, das den italienischen Regisseur bis heute umtreibt. Moretti befragt für seinen bewegenden, mit kaum bekannten Archivaufnahmen aufwartenden Dokumentarfilm zahlreiche Zeitzeugen, Chilenen wie Italiener. Unter den Chilenen befinden sich die bekannten Cineasten Patricio Guzmán und Miguel Littín, aber auch Arbeiter, Journalistinnen, Übersetzer und Anwältinnen, einige von ihnen haben die Folterkeller der Militärdiktatur nur knapp überlebt. Moretti besucht aber auch Raúl Iturriaga, Ex-Chef von Pinochets Geheimpolizei DINA, der wegen Mord, Folter und Entführung im Gefängnis sitzt und sich bis heute unbelehrbar zeigt. Unter den Italienern finden sich Aktivisten, die damals in Chile lebten, und Angehörige der italienischen Botschaft in Chiles Hauptstadt Santiago, die seinerzeit mit viel Zivilcourage verfolgten Chilenen halfen. Marcello Perucca schreibt auf silenzioinsala.com: «Nanni Moretti verbindet das, was damals geschah – die Solidarität des italienischen Staates und seiner Beamten mit den in Italien ankommenden Chilenen – mit den heutigen Ereignissen. Es ist eine gnadenlose Auseinandersetzung, wie die Worte von Erik Merino bezeugen, der 1973 ein junger chilenischer Aktivist war und heute ein erfolgreicher Unternehmer ist: ‹Ich kam als Exilant in ein Land, das demjenigen, von dem Allende damals geträumt hatte, sehr ähnlich war. Heute reise ich nach Italien und sehe, dass Italien immer mehr jenem Chile in seinen schlimmsten Ausprägungen ähnelt.› Es ist ein Italien, das den Sinn für Solidarität verloren hat und in dem der Individualismus gesiegt hat. Mit ‹Santiago, Italia› sagt uns Moretti das alles – und er tut es, ohne seine Worte abzuwägen, ohne Anspruch auf Unparteilichkeit. Er macht uns verständlich, dass, wenn Italien gestern mit seiner humanitären Arbeit in Santiago war, heute Pinochet mit seinen Militärs bei uns gelandet ist.»