Closing Time

DE/CH 2018, 116 min, DCP, O/d-f
Regie: Nicole Vögele
Mitw.: Chung-Shu Kuo, Li-Jiao Lin u.a.

«Wer immer nur in der Nacht arbeitet, droht zu vergessen, dass er einen Schatten geworfen hat.» Der Satz eines anonymen Autors steht am Anfang von «Closing Time» – bevor die Nachtbilder und Nachtgeräusche aus der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh beginnen. Hier, unterhalb einer Autobahn und neben einer mehrspurigen Strasse, wo unentwegt der Verkehr vorbeidonnert, liegt ein kleines Imbisslokal, betrieben von Herrn Kuo und seiner Frau Lin. Nacht für Nacht kocht das Ehepaar «Little plates with rice» für Taxifahrer, Ladenbesitzer, gestrandete Familien, den Tätowierer von nebenan und sogar für einen Hund, der auf die Rückkehr seines Besitzers wartet. So geht alles seinen gemächlichen Gang – bis Herr Kuo eines Morgens auf dem Rückweg vom Markt eine andere Autobahnausfahrt nimmt und ans Meer fährt. «Frau Loosli» und «Nebel» hiessen 2013 und 2014 die beiden ersten, halblangen essayistischen Dokumentarfilme von Nicole Vögele (*1983). Im ersten dieser Filme zeigte die Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg den routinierten, einsamen Tagesablauf einer alten Witwe, während sie in letzterem nichts weniger versuchte, als sich einer Leere anzunähern, die sich nicht greifen lässt. Ruhe und totale Entschleunigung, die diese beiden an zahlreichen Festivals ausgezeichneten Filme kennzeichneten, sind nun auch im visuell und akustisch berauschenden ersten langen Kinodokumentarfilm Nicole Vögeles die dominierenden Elemente. Im vergangenen Sommer feierte dieser «Nachtfilm» am Locarno Festival in der Sektion Cineasti del presente seine Premiere und gewann dort den Spezialpreis der Jury. Pascal Blum schrieb im Tages-Anzeiger: «‹Closing time› ist eine betörend komponierte Beobachtung der Nonstop-Gesellschaft und des Nachtgefühls in den Metropolen. ‹Für mich ist sehr wichtig, dass Bilder über das hinausgehen können, was sie darstellen. Sie können grössere Räume eröffnen. Normalerweise würden wir einander nachvollziehbare Geschichten erzählen›, sagt Regisseurin Nicole Vögele. ‹Aber das Leben lässt sich nicht so einfach nachvollziehen. Da gibt es eine Lücke dazwischen. Die interessiert mich.› Was sie teilen wolle, sei ein Blick, weniger eine Erzählung. Die Zuschauer reagierten offen auf ihren Film, auch wenn es manchmal einfach heisse, das sei jetzt mal was anderes gewesen. Eine kleine Sache. Aber eine schöne.»