Une Estonienne à Paris

FR/BE/EE 2012, 94 min, DPC, O/d-f
Regie: Ilmar Raag
Darst.: Jeanne Moreau, Laine Mägi, Patrick Pineau, François Beukelaers, Fred Epaud, Claudia Tagbo, Ita Ever, Helle Kuningas, Tõnu Mikiver, Helene Vannari u.a.

Seit ihrem Suizidversuch weigert sich die über 80-jährige Frida, das Haus zu verlassen. Die resolute alte Dame, die vor Jahrzehnten aus Estland nach Paris immigrierte, ist verärgert darüber, dass man sie gerettet hat – denn das einzige, was sie möchte, ist sterben. Das hindert sie allerdings nicht daran, jeden Tag ausgehfertig in ihrer Wohnung zu sitzen, so, als ginge es zum Date in ein schickes Café, ganz wie früher, als sie noch junge Liebhaber hatte. Betreut wird Frida von der etwa 50-jährigen Anne, einer stillen Estländerin. Seit ihrer Jugend ist Paris für Anne ein Sehnsuchtsort, und als sie nach dem Tod der Mutter, die sie aufopferungsvoll gepflegt hat, unverhofft das Angebot bekommt, dort eine Stelle anzutreten, zögert sie nicht lange. Doch Frida lehnt die Landsfrau rundweg ab und gibt ihr konsequent zu verstehen, dass sie unerwünscht ist, Estnisch reden will sie schon gar nicht. Der Bistrobesitzer Stéphane, der Anne angestellt hat, beschwört sie, dennoch zu bleiben. Jeanne Moreau spielt diese so starke wie zerbrechliche Figur der Frida mit ungeheurer Präsenz und setzt mit ihren damals 84 Jahren dieser stillen Dreiecksgeschichte des estländischen Regisseurs Ilmar Raag ein Glanzlicht auf. Der Film ist eine Hommage an Jeanne Moreau, die als kapriziöse Greisin mit zahlreichen einstigen Affären ihre eigene Filmlegende beschwört. Ihre Marianne-Büste stand als symbolische Verkörperung Frankreichs in den Büros der Amtshäuser. Am 31. Juli 2017 ist die Grande Dame des französischen Films, die auch selbst Regie führte und in Frankreich als Sängerin bekannt war, gestorben. «Jeanne Moreau ist hinreissend in ihrer Knarzigkeit, ihrem Charme, den sie mit dem Zucken eines Augenwinkels anbringen kann, umwerfend in ihrer Boshaftigkeit, hinter der eine Hilflosigkeit Fridas dem Alter gegenüber aufscheint, aber eben nur dies: aufscheint, wie ein Prospekt, vor dem das alles spielt. Denn darum geht es natürlich vor allem: ums Altwerden. Jeanne Moreau zeigt uns, wie das gehen kann.» Verena Lueken, FAZ