Una mujer fantástica

CL/DE/ES/US 2017, 104 min, DCP, O/d
Regie: Sebastián Lelio
Darst.: Daniela Vega, Francisco Reyes, Luis Gnecco, Aline Küppenheim, Nicolás Saavedra, Amparo Noguera, Alejandro Goic, Antonia Zegers u.a.

Die junge Kellnerin und Hobby-Sängerin Marina ist eine Transfrau und mit dem etwa doppelt so alten Geschäftsmann und Familienvater Orlando liiert. Dass die Liebe zwischen diesen zwei sozial und altersmässig sehr unterschiedlichen Menschen echt und leidenschaftlich ist, wird schon nach wenigen Minuten im fünften Spielfilm des in Argentinien geborenen und heute zwischen Berlin und Santiago de Chile pendelnden Regisseurs Sebastián Lelio klar. Ausgelassen feiern Marina und Orlando in einem Restaurant dessen Geburtstag, als Orlando einen Schwächeanfall erleidet und bei Marinas Versuch, ihn ins Spital zu bringen, unglücklich mit dem Kopf aufschlägt und kurz darauf stirbt. Nun wird Marina von der Polizei verdächtigt, den Tod ihres Geliebten verschuldet zu haben. Und es treten Orlandos Ehefrau und Sohn auf den Plan, die nicht nur Wohnung, Auto und Hund von Marina zurückfordern, sondern vor allem «diese Schande» von der Familie fernhalten wollen und ihr verbieten, an Orlandos Begräbnis teilzunehmen. Doch Marina lässt sich nicht unterkriegen. «Der Hass, der Marina entgegenschlägt, wird durch ebenso deutliche Liebesbekundungen kontrastiert: Mit zahlreichen Grossaufnahmen feiert Sebastián Lelio ihr Gesicht, bleibt mit der Kamera ganz nah bei ihr, baut grosse Sympathie für diese ‹fantastische Frau› auf. Ihre würdevolle Widerständigkeit erinnert an Pedro Almodóvars Frauenfiguren – und an ‹Gloria›, die Titelheldin von Lelios (…) letztem Spielfilm, der auch in Santiago spielt und 2013 ebenfalls im Berlinale-Wettbewerb lief. Gloria sang und tanzte gern, genau wie Marina. (…) Beide Filme enden mit einem Lied, das Selbstermächtigung und Befreiung der Frauen zum Ausdruck bringt. Für ‹Una mujer fantástica› gilt das noch stärker, weil Marina selbst singt. Es ist Händels berühmte Arie ‹Ombra mai fù›, ein Klagegesang (…). Ein kraftvoller Abschluss der fulminanten Performance von Daniela Vega, die tatsächlich Sängerin ist. Die Transfrau trägt dieses Werk wie schon ‹La visita› (2014), den ersten chilenischen Spielfilm mit einer Transheldin. Auch ihr schlug Ablehnung entgegen. Vielleicht schreibt jemand für Vega mal eine Komödie oder eine Liebesgeschichte. Trans ohne Tragik.» Nadine Lange, Der Tagesspiegel