
Graduation (Bacalaureat)
Regie: Cristian Mungiu
Darst.: Adrian Titieni, Maria-Victoria Dragus, Rares Andrici, Lia Bugnar, Malina Manovici, Vlad Ivanov, Ioachim Ciobanu, Andrei Morariu, Emanuel Parvu u.a.
Romeo ist Arzt im Spital einer Kleinstadt in Transsylvanien und lebt mit seiner Frau und seiner Tochter Eliza in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand. Eliza ist eine gute Schülerin. Sie absolviert ihr letztes Schuljahr am Gymnasium und hat bereits ein Stipendium für ein Psychologiestudium an einer Uni in England in der Tasche – vorausgesetzt, dass sie die Matura besteht. Doch am Vortag der Prüfung wird Eliza Opfer einer versuchten Vergewaltigung. Sie verrenkt sich das Handgelenk bei dem Versuch, ihren Angreifer abzuwehren, kann kaum noch schreiben und ist verstört. Romeo sieht Elizas Zukunft gefährdet und weicht von den moralischen Prinzipien ab, die er der Tochter beigebracht hat – und die er selber ohnehin nur selektiv lebt. So interveniert er beim Schuldirektor, um Elizas Noten zu retten. Was erst der Beginn einer Reise in ein durch und durch korruptes System ist … «Bacalaureat» wirkt wie der perfekte Film zu den Hintergründen der Massenproteste, die seit Anfang Februar Rumänien erschüttern. Regisseur Cristian Mungiu, der 2007 in Cannes für sein Abtreibungsdrama «4 mois, 3 semaines et 2 jours» als erster Rumäne die Palme d’Or gewann, ist der herausragendste Vertreter der «rumänischen neuen Welle»; er ist ein Spezialist für das ganz langsame Zuziehen von Schlingen. Seine Protagonisten sehen mit offenen Augen, wie ihre Lage Schritt für Schritt bedrohlicher wird, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Das führt Mungiu nun auch in «Bacalaureat», für den er 2016 in Cannes den Regiepreis gewann, in genialer Weise vor. «Es ist, ein Vierteljahrhundert nach Ceausescus Sturz, immer noch das Eine-Hand-wäscht-die-andere-System. Nichts hat sich geändert, obwohl der Doktor, als er jung war, ausdrücklich in seine Heimat zurückgekehrt ist, um alles (…) besser zu machen. Doch seine Generation (…) hat resigniert, und das vielleicht Schlimmste ist, dass er nun auch seine Tochter korrumpieren muss, um ihr einen Weg aus dem Morast zu bahnen. ‹Bacalaureat› ist grossartig konstruiert, gnadenlos in seiner sozialen Analyse, und schnürt einem, je länger er dauert, mehr und mehr die Kehle zu.» Hans-Georg Rodek, Die Welt