Aquarius

BR/FR 2016, 142 min, DCP, O/d-f
Regie: Kleber Mendonça Filho
Darst.: Sonia Braga, Maeve Jinkings, Irandhir Santos, Humberto Carrão, Zoraide Coleto, Fernando Teixeira, Buda Lira, Paula De Renor, Carla Ribas u.a.

Die Rentnerin Clara war früher in der brasilianischen Stadt Recife eine bekannte Musikjournalistin, heute lebt sie zurückgezogen in dem geräumigen Appartement mit Meerblick, das sie vor Jahrzehnten gekauft hat. Die Wohnung befindet sich in einem Gebäudekomplex aus den 1930er-Jahren, der unter dem Namen Aquarius bekannt ist. Als ein Baukonsortium die ganzen Appartements rund um das von Clara bewohnte aufkauft und sich seiner Bewohner entledigt, soll auch Clara ihre Bleibe verkaufen und ausziehen – Aquarius soll einem profitablen Neubau weichen. Doch Clara denkt nicht ans Ausziehen; ein erbitterter Kleinkrieg voller überraschender Wendungen beginnt. Der zuvor jahrelang als Filmkritiker tätige brasilianische Regisseur Kleber Mendonça Filho machte 2012 mit seinem Spielfilmdebüt «O Som ao Redor» (Neighbouring Sounds) international Furore und etablierte sich mit seinem Erstling als grösste Nachwuchshoffnung des brasilianischen Kinos seit Jahren. In seinem zweiten Spielfilm steht nun ganz die Schauspiellegende Sonia Braga (66) im Zentrum. Braga, in den 1970ern und 1980ern mit Filmen wie «Dona Flor and Her Two Husbands», «The Kiss of the Spider Woman» oder «The Milagro Beanfield War» ein internationaler Superstar, legt hier als bald resolut-starrköpfige, bald charmant-sinnliche Clara eine schauspielerische Parforceleistung hin, die ihresgleichen sucht. Zum Auftakt des letztjährigen Filmfestivals von Cannes, wo «Aquarius» seine Weltpremiere im Hauptwettbewerb feierte, erkor die Redaktion der renommierten «Cahiers du cinéma» Kleber Mendonça Filhos Film zu einem der «zehn meisterwarteten des Jahres 2016» – in Gesellschaft etwa mit Pedro Almodóvars «Julieta» oder Maren Ades «Toni Erdmann». Dabei ist «Aquarius» ein Film, der mit ausgesuchter Ästhetik, kühner Dramaturgie und superbem Schauspiel nicht nur eingefleischte Cinephile entzückt, sondern der auch eine Botschaft an raffgierige Banker und Politiker – wie den neuen brasilianischen Präsidenten Michel Temer – hat: Als «Aquarius» im September 2016 am Festival von Gramado erstmals in Brasilien gezeigt wurde, mischten sich in den frenetischen Schlussapplaus unüberhörbare «Temer-raus»-Rufe.