
Much Loved
Regie: Nabil Ayouch
Darst.: Loubna Abidar, Asmaa Lazrak, Halima Karaouane, Sara Elhamdi Elalaoui, Abdellah Didane, Danny Boushebel, Carlo Brandt u.a.
Der französisch-marokkanische Regisseur Nabil Ayouch spürt in diesem Sozialdrama der Doppelmoral in seinem Heimatland nach, folgt mit beweglicher Handkamera vier Frauen, die in Marrakesch nachts anschaffen und tagsüber gesittet mit Kopftuch einkaufen gehen. Die älteste der vier ist Noah, sie unterstützt ihre Mutter, wird von dieser aber trotzdem verachtet und verstossen. Nicht ganz so düster sieht es bei Randa aus, deren impotenter Freier gerne selbst geschriebene Gedichte rezitiert. Soukaina hat am liebsten weibliche Freier – die zahlen wenigstens anstandslos. Die schwangere Hilma muss sich dagegen LKW-Chauffeuren feilbieten, die den schnellen Sex mit Gemüse von ihrem Lastwagen entlohnen. Prostitution ist im Kino seit jeher ein beliebtes Thema, es wurde fast schon zu oft abgehandelt. Etwas anderes ist es, wenn es um eine islamische Gesellschaft geht, in der das älteste Gewerbe zwar eminent wichtig ist, offiziell aber nicht existiert. Nachdem «Much Loved» 2015 in Cannes viel beachtet in der Sektion «Quinzaine des réalisateurs» lief, wurde der Film kurz darauf in Marokko verboten – und die meisten anderen arabischen Länder zogen nach. Der Film sei eine Beleidigung der marokkanischen Frauen, lautete die heuchlerische Begründung. «In seiner Schnelligkeit und seiner harten, manchmal surreal lichtzuckenden Ästhetik erzeugt der Film eine Stimmung, die an den feministischen Hardcorefilm ‹Baise-moi› aus dem Jahr 2000 erinnert (…). Gleichzeitig ist ‹Much Loved› ein sehr weicher Film, dem es auch noch gelingt, von homosexuellem Begehren zu erzählen, ohne dass das überladen wirkt. Nabil Ayouch hat für seinen Film mit Hunderten marokkanischer Prostituierter gesprochen; er sagt, die Frustration, welche die Unterdrückung der Sexualität in arabischen Gesellschaften auslöse, sei ungeheuer, und Prostituierte müssten all diese Spannungen auffangen, noch mehr als anderswo. Loubna Abidar, die Noha spielt, wurde übrigens nach dem französischen Filmstart in ihrer Heimatstadt Casablanca auf offener Strasse angegriffen; sie musste nach Frankreich fliehen.» Hannah Lühmann, Die Welt