Premierenfilm

African Mirror

CH 2019, 84 min, DCP, O/d-f, ab 16 Jahren
Regie: Mischa Hedinger

Der Berner Reiseschriftsteller, Fotograf, Filmer und Hobby-Ethnologe René Gardi (1909–2000) brachte seit den 1950er-Jahren Generationen von Schweizerinnen und Schweizern Afrika in die Wohnstuben. In Bildbänden, Zeitungsreportagen, Radio- und TV-Sendungen schwärmte Gardi der beginnenden Konsumgesellschaft Schweiz ein Afrika vor, bewohnt von «edlen Wilden» in paradiesischer Natur. Der 1984 geborene Dokumentarfilmer Mischa Hedinger erwarb Gardis Nachlass und hat aus diesem reichhaltigen Material in jahrelanger Arbeit einen so hintersinnigen wie tiefgründigen Film über einen ungewöhnlichen Schweizer geschaffen, dessen kolonialistisch geprägtes Denken bis heute nachhallt. 2013 hatte Hedinger mit «Assessment», der im Kinok im Januar 2014 zu sehen war, erstmals auf sich aufmerksam gemacht. Formal streng und in unaufgeregtem Gestus führt er in dem halblangen Dokumentarfilm Absurditäten einer wohlmeinenden Sozialbürokratie vor. Und so wie er dort ohne Scheu minutiös Leerläufe und Machtdynamiken beobachtete, erweist er sich auch in seinem neuen Film, der seine Weltpremiere im vergangenen Februar an der Berlinale feierte, als einer der scharfsinnigsten und unerbittlichsten Analytiker unter den Schweizer Dokumentarfilmern seiner Generation. Pascal Blum schrieb im Tages-Anzeiger: «Der Film entlarvt Gardis Afrikabild mit den eigenen Waffen: eine Demontage durch Montage. René Gardi brach als Entdecker auf und inszenierte Sehnsuchtsorte des Urtümlichen. Was Gardi der Schweiz von Afrika zeigte, war eine Projektion, welche die Unterdrückung ausblendete. ‹African Mirror› reflektiert diesen Blick, spiegelt ihn an uns zurück: Sind wir heute gegen solche Träumerei gefeit? (…) Erst in den vergangenen Jahren wurde mit den ‹Postcolonial Studies› gefragt, inwiefern die Schweiz ins koloniale Projekt verstrickt war, ohne selbst Kolonien gehabt zu haben, und wie Vorstellungen von weisser Herrschaft in den Köpfen überdauern. Gardis wirkmächtigen Reiseberichte zeigen, dass auch hierzulande koloniale Bilder produziert wurden, die bis heute fortwirken. (…) Weil Gardis Afrika nur in der Fantasie existiert, haben wir es alle schon betreten, und was macht das jetzt aus uns: Träumer oder Gewaltherrscher?»

 

Die Premiere am 12. November findet in Anwesenheit des Regisseurs Mischa Hedinger statt. Das Gespräch führt die Kulturwissenschaftlerin Patricia Holder.

 

Reservieren:

Trailer