100 Jahre Praesens-Film

Rester vertical

FR 2016, 98 min, DCP, F/d
Regie: Alain Guiraudie
Darst.: Damien Bonnard, India Hair, Raphaël Thiéry, Christian Bouillette, Basile Meilleurat, Laure Calamy, Sébastien Novac, Baptiste Roques, Adrien Marsal u.a.

Filmemacher Léo durchstreift das französische Massif Central auf der Suche nach Wölfen und sucht nach Inspiration für sein neues Drehbuch. Zunächst macht er jedoch die Bekanntschaft mit der schönen Schafhirtin Marie, die ihre Herde mit dem Gewehr gegen Wölfe verteidigt. Sie verführt ihn kurzerhand und quartiert ihn auf dem Hof ihres Vaters ein, wo sie mit ihren beiden kleinen Söhnen lebt. Das ungleiche Paar zeugt ein Kind miteinander, doch die Beziehung der jungen Eltern ist nicht von Dauer. In einem Anfall postnataler Depression flieht Marie und lässt Léo nicht nur mit dem Baby zurück, sondern auch mit ihrem einsamen, ungehobelten Vater. Mit surrealem Humor und viel Spass am Tabubruch legte Alain Guiraudie nach dem gefeierten Thriller «L’inconnu du lac» dieses Jahr in Cannes mit «Rester vertical» einen der meistdiskutierten Filme des Wettbewerbs vor. «Rester vertical» ist ein versponnenes Roadmovie durch die französische Provinz, bevölkert von eigenwilligen Menschen und gespickt mit schrägen Einfällen, die einer Fabel entstammen könnten: der Bauer Jean-Louis mit seinem ungewöhnlichen Aussehen, die geheimnisvolle Flusslandschaft mit der Heilerin, die Wölfe. In ebenso verstörenden wie betörenden Bildern – es gibt kaum einen anderen Regisseur, der Landschaften so stimmungsvoll und bedeutungsgeladen filmen kann – werden hier Genderklischees auf den Kopf und sexuelle Identitäten in Frage gestellt. Guiraudie vermischt groteske Beobachtungen und sich gegen jede Konvention verhaltende Figuren zu einem spannend-mysteriösen, pansexuellen Antimärchen. «Rester vertical» ist eine provokative filmische Meditation über die menschliche Sehnsucht nach der Versöhnung von Zivilisation und Natur, in der sich Traum und Wirklichkeit auf wundersame Weise vermischen. «Guiraudies Film ist in sich höchst originell. Selbst der Titel transportiert diese mythomanische Ironie, welche den ganzen Film durchzieht. Einerseits ist ‹Rester vertical› eine Anweisung an Menschen, in der Gegenwart von Wölfen aufrecht und damit dominant zu bleiben. Zugleich ist das auch eine politische Haltung. Und schliesslich bleibt da auch noch die sexuelle Konnotation, die im Film keineswegs zu kurz kommt. ‹Rester vertical› ist französisches Kino, ein richtiger Cannes-Film, den man sich an anderen Festivals oder gar in einer normalen Kinoauswertung kaum vorstellen kann. Und gerade darum eine Freude.» Michael Sennhauser, sennhausersfilmblog.ch

 

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