Premierenfilm

Tchaikovsky's Wife

RU/FR/CH 2022, 143 Min., DCP, O/d-f, ab 16 Jahren
Regie: Kirill Serebrennikow
Darst.: Alyona Mikhailova, Odin Lund Biron, Miron Fedorow, Yulija Aug, Philipp Awdejew, Ekaterina Ermishina, Andrei Burkowski, Natalja Pawlenkowa, Nikita Jelenew u.a.

Russlands berühmtester Komponist, Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893), war schwul. Das war zwar schon zu seinen Lebzeiten bekannt, doch weder damals zur Zarenzeit noch heute unter dem Putin-Regime war und ist es ratsam, in Russland offen homosexuell zu leben. So verwundert es nicht, dass Regisseur und Drehbuchautor Kirill Serebrennikow, der aus seiner eigenen Homosexualität nie ein Geheimnis gemacht hat, während fast zehn Jahren vergeblich versuchte, in seinem Heimatland diesen Film über Antonina Miljukowa, Tschaikowskis Ehefrau, zu realisieren. Tschaikowski hatte im Mai 1877 einen Brief der ihm unbekannten Aristokratin erhalten, worin sie behauptete, sie sei ihm am Konservatorium begegnet und wolle ihn unbedingt heiraten. In weiteren Briefen drohte sie mit Suizid, falls er sich mit ihr nicht treffen würde. Er gab ihrem Drängen schliesslich nach – einerseits, weil er Verständnis für ihre verzweifelte Liebe und auch Mitleid mit ihr hatte, andererseits, weil er hoffte, durch diese Ehe von seiner Homosexualität ablenken zu können. Kirill Serebrennikow, der von 2017 bis 2019 unter Hausarrest stand und Russland im April 2022 endgültig verliess, hat aus Antonina Miljukowas tragischer Geschichte ein barock ausuferndes Werk geschaffen, das in langen, ungemein präzisen Plansequenzen erzählt ist. Der Film zeichnet das Porträt einer leidenschaftlichen Frau, deren selbstzerstörerische Liebe sie langsam in den Wahnsinn treibt. Seine viel beachtete Weltpremiere feierte er 2022 im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes. David Steinitz schreibt in der Süddeutschen Zeitung: «Trotz seines historischen Settings ist ‹Tchaikovsky’s Wife› auch in der Gegenwart verankert. Denn Serebrennikow zeigt in zweieinhalb düster inszenierten Kinostunden, was mit Menschen passiert, die sich auf Dauer nicht frei von gesellschaftlichen Zwängen und politischer Unterdrückung entfalten können, und wie sie diesen Druck an ihre Mitmenschen weitergeben. ‹Tchaikovsky’s Wife› ist ein finsteres Werk, das in normalen Zeiten vermutlich zum Kreis der Kandidaten um die Palme d’Or gehört hätte. Aber die Jury konnte sich, Serebrennikows Regimekritik hin oder her, dieses Jahr nicht dazu durchringen, einen russischen Film auszuzeichnen.»

 

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