Premierenfilm

Capharnaum – Stadt der Hoffnung

LB/US 2018, 121 min, DCP, O/d-f
Regie: Nadine Labaki
Darst.: Zain Al Rafeea, Yordanos Shiferaw, Boluwatife Treasure Bankole, Kawsar Al Haddad, Fadi Yousef, Haita ‹Cedra› Izzam, Alaa Chouchnieh, Nadine Labaki u.a.

Es beginnt mit einer Gerichtsverhandlung: Der zwölfjährige Zain klagt vor einem Beiruter Gericht seine Eltern an, ihn auf die Welt gebracht zu haben. Nach diesem absurd anmutenden Auftakt erzählt der Film – dessen Titel im Französischen «Chaos» bedeutet – in Rückblenden, wie es zum grotesken Gerichtsfall kam. Zain, der als Sohn einer kinderreichen syrischen Flüchtlingsfamilie in einem Slum von Beirut lebt, läuft eines Tages von zu Hause weg, weil er nicht verhindern kann, dass die Eltern seine elfjährige Schwester an den sehr viel älteren Lebensmittelhändler im Quartier verkaufen. In Beiruts Strassen trifft Zain auf die Äthiopierin Rahil und ihren einjährigen Sohn Yonas. In ihr findet er kurzfristig eine Art Ersatzmutter, doch als Rahil wenig später bei einer Razzia verhaftet wird, steht Zain allein mit dem Kleinkind da. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Nadine Labaki, 1974 in Beirut geboren, hat in ihren bisherigen Spielfilmen «Caramel» (2007) und «Et maintenant on va où?» (2011) mutige, initiative Frauen ins Zentrum gestellt und die Geschichten ganz in der Tradition arabischer Komödien erzählt. «Capharnaum» hingegen ist alles andere als eine Komödie, sondern ein Sozialdrama von bestürzender Authentizität; sowohl die Darsteller von Zain und seiner Familie als auch diejenigen von Rahil und Yonas sind im realen Leben Flüchtlinge aus Syrien bzw. Afrika. «Capharnaum» erinnert ganz beiläufig an die Hauptursache der Flüchtlingskrise von 2015: die massive Kürzung von UNO-Hilfsgeldern an die Flüchtlinge, die vor der Hölle des Krieges in Syrien in die Nachbarländer geflohen waren. Nie zuvor wurde in einem Spielfilm so eindringlich gezeigt, unter welchen Bedingungen diese Menschen leben. Laurent Bouhnik schrieb in Le Nouvel Observateur: «Das ist ein so ungeschminktes wie unprätentiöses Plädoyer für misshandelte Kinder und Migrantenkinder. Man sollte Madame Le Pen zwingen, sich den Film anzusehen; vielleicht würde sie dann weniger Lügen und Blödsinn erzählen. (…) Denn ein Film kann manchmal auch dazu dienen, denen die Augen zu öffnen, die es längst vorgezogen haben, sie vor so viel existierendem Horror zu verschliessen. (…) ‹Capharnaum› erinnert an ein Meisterwerk des Weltkinos: ‹Los olvidados› von Luis Buñuel. Beide Filme gehen in dem, was sie zeigen, bis ans Limit – radikal und menschlich bis in die scheinbar unbedeutendste Szene.»

 

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