Im Labyrinth der Seele: Ingmar Bergman

Das Schweigen

SE 1963, 96 min, DCP, O/d
Regie: Ingmar Bergman
Darst.: Ingrid Thulin, Gunnel Lindblom, Jörgen Lindström, Håkan Jahnberg, Birger Malmsten, Eduardo Gutiérrez, Leif Forstenberg, Lissi Alandh u.a.

Zwei Schwestern und der zehnjährige Johan sitzen im Zug auf der Heimreise nach Schweden. Die jüngere, sinnliche Anna ist die Mutter von Johan, Ester ist eine Intellektuelle und arbeitet als Übersetzerin. Das Trio macht einen Zwischenstopp in einem Hotel in der ausländischen Stadt Timoka, deren Einwohner eine Sprache sprechen, die sie nicht verstehen. Schnell wird deutlich, dass zwischen den beiden Frauen eine Missstimmung herrscht. Ester ist lungenkrank und wird von schweren Anfällen erschüttert; sie bleibt im Bett, während Anna in die Hitze der Stadt hinausgeht und in einem schummrigen Varieté ein Liebespaar beim leidenschaftlichen Sex beobachtet. Zudem erleben wir den stillen Johan, der das Hotel erkundet, sich von seiner Mutter distanziert und Ester annähert. Bei seinem Erscheinen führte «Das Schweigen» zu heftigen Reaktionen. In Frankreich weigerte sich die Zensur zunächst, den Film freizugeben, während sich in der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag mit dem Werk beschäftigte, wobei vor allem drei Sexszenen, die insgesamt knapp vierzig Sekunden dauern, zu reden gaben. Ingmar Bergman hatte nach eigenem Bekunden einen Film im Sinn, der assoziativ aufgebaut ist, sich mehr nach musikalischen denn nach dramaturgischen Gesetzen richtet und den Charakter eines Traums besitzt, ohne «abgedroschene Traumeffekte» zu nutzen. Dieses Traumhafte wird in allegorischen Bildern ebenso deutlich wie in einer Umwelt, die betont fremdartig und unheimlich ist, während das Geschehen um die drei Hauptfiguren sehr wohl real ist. Thomas Koebner schreibt in Reclams Filmklassiker, der Film erzähle «eindeutig und suggestiv vom Drama der inneren wie äusseren Ablösung aus Abhängigkeiten, die beschützen und bedrängen, vom Drama des Selbstständigwerdens, das auch für Erwachsene noch nicht abgeschlossen ist. (…) Die beiden Schwestern kann man auf die abstrakte Formel reduzieren, dass sie verschiedene Seelenkräfte in einer Person vor Augen stellen, Geist (Ester) und Körper (Anna), Über-Ich und Es, Verstand und Gefühl. (…) Bergmans Film handelt so scharfsichtig wie wenige andere Filme von der leibseelischen ‹Intimsphäre›, verrennt sich aber nie in blasse Gedankenkonstruktion – das macht ihn zum ausserordentlichen Kunstwerk.»

 

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