Premierenfilm

Ex Libris: The New York Public Library

US 2017, 197 min, DCP, E/d
Regie: Frederick Wiseman

Frederik Wiseman, der Altmeister des Dokumentarfilms, hat den Zuschauern in seinen Filmen immer wieder spannende Einblicke in Institutionen ermöglicht, so etwa in die Pariser Oper oder die Londoner National Gallery. Wisemans Dokumentarfilme kommen ohne Kommentare, Interviews und Namensnennung aus; der mittlerweile 87-jährige Regisseur vertraut ganz seiner genauen und geduldigen Beobachtung und seiner klugen Montage. Sein neuester Film nimmt sich der New Yorker Public Library an, die mit über 51 Millionen Medien eine der grössten Bibliotheken der Welt ist. Das Haupthaus wurde 1911 gegründet und liegt an der Fifth Avenue; mit insgesamt 92 Filialen ist die Institution in allen Stadtteilen New Yorks vertreten. Wisemans Film macht deutlich, dass die öffentlichen Bibliotheken in New York nicht nur zentrale Orte der Wissenssammlung und -archivierung sind, sondern dass sie auch wichtige soziale Aufgaben übernehmen: Sie dienen der niederschwelligen Wissensvermittlung und sind Plattform für wissenschaftliche, politische und künstlerische Veranstaltungen. Wiseman dokumentiert Buchpräsentationen von Elvis Costello und Patti Smith, Konzerte und Gespräche mit Historikern und Naturwissenschaftlern. Die Bibliotheken dienen Obdachlosen als Aufenthaltsmöglichkeit, stellen den Besuchern Computer und Internet zur Verfügung; sie bieten Aufgabenhilfe für Schulkinder, Jobvermittlungsprogramme und Kurse in Sprachen, Staatsbürgerschaft, Wirtschaft und Computerprogrammierung an. Wiseman zeigt bibliotheksinterne Workshops über die Zukunft der Bibliothek, streift durch die Lesesäle, folgt Beratungsgesprächen mit Nutzern und zeigt die Bibliothek als Ort der Volksbildung und der gesellschaftlichen Teilhabe, wo jeder sein Recht auf Bildung wahrnehmen kann. Trotz seiner Länge von über drei Stunden ist der Film abwechslungsreich und spannend. Man studiert die Gesichter der Besucherinnen und Besucher und staunt über die Fülle des Angebots, das, wie Andreas Borcholte im Spiegel schreibt, «vom Ideal gelenkt ist, denjenigen Zugänge zu Wissen zu schaffen, die sich keine teure Ausbildung oder auch nur einen Internetanschluss leisten können». Eine Praxis, die «ein Gegengift zum darwinistischen Menschenbild eines Donald Trump ist», wie Wiseman am Festival in Venedig sagte, wo der Film 2017 seine Weltpremiere feierte und mit dem renommierten Fipresci-Award geehrt wurde.

 

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