Der vermessene Mensch

DE 2023, 116 Min., DCP, D, ab 16 Jahren
Regie: Lars Kraume
Darst.: Leonard Scheicher, Girley Charlene Jazama, Peter Simonischek, Sven Schelker, Max Koch, Ludger Bökelmann, Leo Meier, Paulus Anton, Tilo Werner, Corinna Kirchhoff u.a.

Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Alexander Hoffmann ist ein ehrgeiziger Ethnologie-Doktorand an der Friedrich-Wilhelms-Universität, wo die evolutionistische Rassentheorie der Zeit die Forschung bestimmt. Er ist angewidert vom Vermessen der Schädel, das kein anderes Ziel hat, als die Überlegenheit der weissen Rasse pseudowissenschaftlich zu legitimieren. Als anlässlich der Deutschen Kolonial-Ausstellung 1896 eine Delegation von Ovaherero und Nama aus der deutschen Kolonie «Deutsch-Südwestafrika» gezwungen wird, für die dortige Völkerausstellung nach Berlin zu reisen, sucht Hoffmann Kontakt zur Dolmetscherin Kezia Kambazembi, um Gegenbeweise zur Rassentheorie zu liefern. Kurz nach der Heimkehr der Delegation kommt es zum Aufstand der Ovaherero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht. Hoffmann ergreift die Gelegenheit, als Ethnologe an einer Expedition teilzunehmen, und reist im Schutz der kaiserlichen Armee durch das Land. In Wahrheit sucht er jedoch weitere Beweise für seine Gegenthese – und nach Kezia. Er wird Zeuge des grausamen Genozids an den Herero und Nama und überschreitet selbst moralische Grenzen, als er einwilligt, seinem Berliner Professor Schädel toter Herero für die Forschung zu schicken … Nach «Das schweigende Klassenzimmer» und «Der Staat gegen Fritz Bauer» widmet sich Regisseur Lars Kraume erneut einem weniger bekannten, aber höchst brisanten Kapitel der deutschen Geschichte: dem Genozid, den die deutsche Schutztruppe zwischen 1904 und 1908 in «Deutsch-Südwestafrika», dem heutigen Namibia, an der einheimischen Bevölkerung begangen hat. Erst 2015 hat die deutsche Bundesregierung die damaligen Verbrechen als Völkermord anerkannt. «Der vermessene Mensch» feierte seine Uraufführung an der diesjährigen Berlinale. Angesiedelt zwischen historischen Ereignissen, Wahrheit und Fiktion, leistet der Film einen eindrücklich-anschaulichen Beitrag zur aktuellen Debatte um Raubkunst, Restitution und die Diskussion um ethnologische Sammlungen – und dies nicht nur für Deutschland. Wir erfahren auch, warum in Namibia die ersten Konzentrationslager gebaut wurden und wie so viele Schädel der Herero und Nama in deutsche Museen gelangten. Eine Lektion in Geschichte, die aufrüttelt und lange nachhallt.