Un autre monde

FR 2021, 96 Min., DCP, F/d, ab 16 Jahren
Regie: Stéphane Brizé
Darst.: Vincent Lindon, Sandrine Kiberlaine, Anthony Bajon, Marie Drucker, Guillaume Draux, Olivier Lemaire, Christophe Rossignon, Sarah Laurent, Joyce Bibring u.a.

Am Anfang steht ein Termin in einer Anwaltskanzlei: Anne, die Ehefrau des wohlhabenden Betriebsleiters Philippe, hat die Scheidung eingereicht, worauf es zur hitzigen Konfrontation zwischen dem Paar und den jeweiligen Anwälten kommt. Dabei beruht Annes Entscheidung nicht auf herkömmlichem Fehlverhalten ihres Gatten, der weder unfreundlich noch unvernünftig scheint. Vielmehr ist ihr Wunsch das Resultat von Philippes permanent kämpferischem Arbeitsumfeld, das er die letzten Jahre immer mit nach Hause getragen hat. Denn trotz seiner hohen Gehaltsklasse steht der stets makellos gekleidete Philippe bei Weitem nicht an der Spitze der Hierarchieleiter, sondern muss sich damit abfinden, letztlich nur ein Rädchen in einer erbarmungslosen Maschinerie zu sein. Zwar ist er nominell für die regionale Fabrik verantwortlich, aber über ihm steht das Pariser Büro mit der eiskalten Claire an der Spitze. Diese wiederum befindet sich unter der Fuchtel des amerikanischen Unternehmenschefs, der in einer Zoom-Schaltung wie die personifizierte Banalität des Bösen erscheint. Es ist eine Befehlskette, in der für die Arbeiter:innen am unteren Ende jegliches Mitgefühl verloren geht. So kommt für Philippe irgendwann der Punkt, an dem er entscheiden muss, ob er hier noch am richtigen Platz ist. Guy Lodge schreibt in Variety: «Hatten Regisseur Stéphane Brizé und Schauspieler Vincent Lindon in ‹La loi du marché› (2015) und ‹En guerre› (2018) den Kampf der Arbeiterklasse noch mit einer ruhigen Zurückhaltung vermittelt – welche aber die Wut über die Verhältnisse keineswegs milderte –, schliessen sie nun mit ‹Un autre monde› eine Art Trilogie zum Thema ab. Und obwohl sie die Perspektive in diesem so unaufgeregten wie intelligenten Film umkehren und Lindon als Manager nun auf der anderen Seite steht, gelangen sie zur gleichen wütenden Schlussfolgerung, wenn auch auf anderem Weg: Der Film zeigt eindrücklich, wie Direktiven, entstanden aus Tabellenkalkulationen und Gewinnmargen, von Leuten berechnet werden, die sich nie mit den dadurch ruinierten Leben auseinandersetzen müssen. Brizé wird seinem Ruf als Frankreichs Antwort auf Ken Loach einmal mehr gerecht.»