Der grüne Berg

CH 1990, 128 min, Digital HD, Dialekt/d, ab 12 Jahren
Regie: Fredi M. Murer

Im Herbst 1986 erfuhren die Bewohner von Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden aus den Medien, was die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) in ihrer nächsten Umgebung vorhatte: Am Wellenberg, einem von Bauern bewohnten und bewirtschafteten hügelförmigen Berg im Engelbergertal, Nidwaldens Wasserschloss, sollten Sondierbohrungen durchgeführt werden. Die Nagra plante hier ein Endlager für nuklearen Müll aus Schweizer Atomkraftwerken. Ein knappes halbes Jahr nach der Katastrophe von Tschernobyl zeugten Bestreben und Vorgehen der Nagra nicht gerade von viel Sensibilität gegenüber den Ängsten einer bäuerlich geprägten Bevölkerung, die, ansonsten eher obrigkeitsgläubig, sich zu wehren begann. Meilenweit entfernt davon, ein Agitprop-Film zu sein, ist Murer in dieser «filmischen Landsgemeinde», wie er den Dokumentarfilm im Untertitel nennt, mit der gleichen akribischen Genauigkeit ans Werk gegangen wie in «Wir Bergler …» und «Höhenfeuer». Und wie im ersten Film dieser «Berg-Trilogie» stehen auch hier Worte und Lebenswirklichkeit der direkt Betroffenen und nicht vorgefasste Thesen im Zentrum. «Der grüne Berg» wird so nebenbei zu einem Lehrstück über Demokratie und respektvolle Begegnung als Form realpolitischer Auseinandersetzung, lässt er doch Experten, Behörden sowie einheimische Befürworter und Gegner gleichermassen zu Wort kommen. Und doch ist der Film rückblickend ein Dokument eines erfolgreichen Widerstands. Denn das Endlager am Wellenberg wurde nie gebaut und das Schweizervolk sagte Ende September 1990, drei Monate nachdem «Der grüne Berg» in die Kinos gekommen war, mit 54,5 Prozent der Stimmen Ja zum Stopp eines weiteren Atomkraftwerkbaus. Fredi Murers Regiekollege Alexander J. Seiler schrieb: «Weit über den aktuellen Anlass hinaus ist ‹Der grüne Berg› ein Film über Leben und Tod – oder, genauer gesagt, über die (…) Nekrophilie einer Hochtechnologie, welche die von ihr geschaffenen Risiken erst eingesteht, wenn sie irreversibel geworden sind und als ‹Sachzwang› (…) Demokratie ausser Kraft setzen. Der Abstraktion dieser Technologie – die nicht zu sehen, nicht zu hören, nicht zu riechen und nicht anzufassen ist – setzt Murer die ganz konkrete Lebens-, (nicht Natur-)verbundenheit der bäuerlichen Existenz und des bäuerlichen Denkens gegenüber.»