Höhenfeuer

CH 1985, 114 min, DCP, Dialekt/d, ab 14 Jahren
Regie: Fredi M. Murer
Darst.: Thomas Nock, Johanna Lier, Dorothea Moritz, Rolf Illig, Tilli Breidenbach, Jörg Odermatt

Auf einem abgelegenen Hof in den Urner Alpen lebt eine Bergbauernfamilie: Vater, Mutter, Tochter Belli sowie der taubstumme und namenlose Sohn, von Eltern und Schwester nur «Bueb» genannt. Die etwa achtzehnjährige Belli wäre gerne Lehrerin geworden, muss aber ihren etwas jüngeren Bruder unterrichten. Der einzige Kontakt der Familie zur Aussenwelt ist der mit den Eltern der Mutter. Diese leben auf der gegenüberliegenden Talseite; kommuniziert wird mit dem Feldstecher und einem einfachen Zeichensystem. Weil der «Bueb» in jugendlichem Übermut eine Dummheit begeht, verbannt ihn der Vater zur Strafe auf eine hoch gelegene Alp. Der Junge vertreibt sich dort die Zeit mit dem Bau von Mauern und kunstvollen Steinmannli. Als ihn eines Tages seine Schwester besucht, werden sie zum Liebespaar. Aus dieser minimalistischen inzestuösen Liebesgeschichte schuf Fredi Murer zusammen mit Kameramann Pio Corradi (der hier erstmals mit Murer zusammenarbeitete) ein Drama von der Wucht einer antiken Tragödie, das in seiner visuellen Brillanz seinesgleichen sucht. Gedreht im Sommer und Winter des Orwell-Jahres 1984, mit nur sechs Schauspielern an drei Schauplätzen – einem Bergbauernhof hoch über Silenen im Reusstal, einem Maiensäss im Schächental und einem «Heimet» im Engelbergertal – ist «Höhenfeuer» ein «Bergfilm», der die raue Schönheit der Gebirgslandschaft bis ins Letzte auskostet, ohne dabei je eine Postkartenidylle zu zelebrieren. Weltpremiere war am Filmfestival Locarno 1985, wo «Höhenfeuer» den Goldenen Leoparden gewann – als zweiter Schweizer Film in der damals 39-jährigen Festivalgeschichte. Jahre später beschrieb Murer die Premiere so: «Im Fevi-Saal sassen 2000 Leute. Es war totenstill, und ich fürchtete, alle schlafen. Unerträglich! Als der Film endlich zu Ende war, brandete ein orkanartiger Applaus los, dass es mich fast vom Boden lupfte.» Es war der Beginn eines Siegeszuges, der bis in die jüngste Zeit anhält: Regelmässig wird «Höhenfeuer» in Rankings von Fachleuten zum besten Schweizer Film aller Zeiten gekürt, zuletzt von der Schweizer Filmakademie im Jahr 2014. Dabei hatte sich die einheimische Filmkritik anfänglich eher schwer getan mit Murers Opus magnum, während Andreas Kilb in der FAZ schrieb: «In seiner Erzählung vom sprachlosen Leben in den Bergen hat Murer mit einem Geniestreich die Grenze zwischen Experimental- und Spielfilm verwischt.»