Premierenfilm

Die Blumen von gestern

AT/DE/FR 2016, 125 min, DCP, O/d
Regie: Chris Kraus
Darst.: Lars Eidinger, Adèle Haenel, Jan Josef Liefers, Hannah Herzsprung, Sigrid Marquardt, Djenabuh Jalloh, Rolf Hoppe, Bibiane Zeller u.a.

Wenn man Totila Blumen heisst und von allen «Toti» gerufen wird, ist man gestraft und muss wohl ein eher seltsamer Typ sein. Was auf den Protagonisten dieser respektlosen Tragikomödie voll zutrifft. Er ist Holocaustforscher an einem deutschen Institut und als solcher ein gänzlich humorfreier und griesgrämiger Mensch. Seinen Beruf wählte er einst, weil er glaubte, etwas gut machen zu müssen, war doch sein Grossvater ein hoher Nazi-Funktionär. Doch nicht nur das, Totila hat sich nicht im Griff, er schlägt öfter mal zu. Schon in einer der ersten Filmminuten muss das Totilas Chef Balthasar «Balti» Thomas erfahren. Unversehens liegt der schmierige Karrierist mit gebrochener Nase am Boden, weil Totila einen derben Spruch Baltis nicht goutierte. Wegen seiner Qualifikationen behält Totila dennoch seinen Job, allerdings wird ihm nun Zazie, eine junge Praktikantin aus Frankreich, zur Seite gestellt. Sie ist nicht nur die Enkelin von Holocaust-Überlebenden, sondern auch Baltis heimliche Geliebte. Aus dieser so irren wie explosiven Ausgangslage schafft Regisseur Chris Kraus, der auch das Drehbuch schrieb, eine der verrücktesten Liebesgeschichten seit langem und ein Werk, das bei allem Klamauk deutsche Vergangenheitsbewältigung ernst nimmt – und autobiografische Anteile aufweist, denn Kraus hat jahrelang über seinen Grossvater recherchiert, der Mitglied der Waffen-SS gewesen war. «Das alles ist zuerst einmal ungeheuer komisch. Kraus’ Dialoge sind von fast schon Woody Allen’scher Brillanz und Schnelligkeit. (…) Gerade die verbalen Entgleisungen des übereinander stolpernden Noch-Nicht-Liebespaares bringen die Dinge oftmals auf den Punkt. (…) Ein solches Wechselbad muss man nicht nur schreiben und inszenieren, sondern vor allem auch spielen können. Lars Eidinger arbeitet sich tief in die Neurosen seiner Figur ein (…), und ihm gegenüber steht die hochbegabte Adèle Haenel, die Zazies Stimmungen unberechenbar wie eine Flipperkugel durch den Raum schiessen lässt. Den beiden folgt man gern bis in die letzten Seelenwinkel und sogar hin zu einem kurzen Moment von Glück, Versöhnung und Leichtigkeit, der schon bald wieder vom Wind der Historie verweht, aber nie ganz verloren gehen wird.» Martin Schickert, Die Zeit

 

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