Premierenfilm

L’abri

CH 2014, 101 min, F/d
Regie: Fernand Melgar

Am Tor einer Lausanner Notschlafstelle für Obdachlose spielen sich während der Wintermonate jeden Abend dramatische Szenen ab: Hundert und mehr verzweifelte Menschen drängen sich vor dem Eingang der Einrichtung, die – diskret unter der Erde versteckt – nur Platz für 50 Personen bietet. Den Mitarbeitern kommt die undankbare Aufgabe zu, zwischen «Würdigen» und «Unwürdigen» zu «sortieren», zu bestimmen, wer in den Genuss einer Pritsche und einer warmen Mahlzeit kommt und wer draussen in der kalten Winternacht bleiben muss. Frauen und Kinder haben Priorität, erst dann kommen die Männer, und diese reagieren mitunter gewalttätig auf das beschämende Eintrittsritual. Nach «La forteresse» und «Vol spécial» beschliesst «L’abri» die Dokumentarfilmtrilogie des Lausanner Regisseurs Fernand Melgar über die Ausgeschlossenen der Schweizer Gesellschaft. Melgar, der als Kind spanischer Immigranten seine frühen Jahre in der Schweiz selbst in der Illegalität verbringen musste, weiss, wovon er spricht – und das merkt man diesem so wütenden wie zärtlichen Film an. «Ein so kommentarloser wie beklemmender Film über die Verlierer der Personenfreizügigkeit im Schengenraum, die Ärmsten eines neuen, grenzoffenen Europa, ein Film, der da hinschaut, wo wir normalerweise lieber nicht hinschauen: Er zeigt, wer die Menschen sind, die wir höchstens mal in Schlafsäcke gewickelt in einer Bahnhofsecke sehen. Er zeigt die bettelnde Romafrau nach ihrem ‹Feierabend›, zeigt, wie ihre Kinder den ‹Stundenlohn› von zwei Franken neunzig am Spielautomaten wieder verspielen. ‹L’abri› ist ein Film, den man eigentlich genauso schnell wieder vergessen möchte wie die Obdachlosen, die wir täglich am Bahnhof sehen. Im Kino aber laufen wir nicht schnell weg, nachdem wir allenfalls eine kleine Münze in einen Kartonbecher haben fallen lassen. Wir müssen wenigstens diese 100 Minuten hinschauen.» Brigitte Häring, srf.ch

 

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