Vergine giurata

IT/CH/AL 2015, 84 min, DCP, O/d
Regie: Laura Bispuri
Darst.: Alba Rohrwacher, Emily Ferratello, Lars Eidinger, Flonja Kodheli, Luan Jaha, Bruno Shllaku, Ilire Vinca Celaj u.a.

Die junge Hana lebt in den Bergen Nordalbaniens in einem kleinen Dorf, in dem noch archaische Regeln gelten. So muss eine Frau, die nicht heiratet, einen Schwur für ewige Jungfräulichkeit ablegen und darf dafür fortan als Mann leben. Hana entscheidet sich für dieses Leben. Sie kürzt ihre langen Haare, bindet sich die Brüste ab, nennt sich Mark, trägt ein Gewehr, geht auf die Jagd und trinkt mit den Männern Raki. Bis zum Tod ihrer Eltern lebt sie so, dann hat sie genug von diesem kärglichen Dasein und macht sich auf nach Italien. Dort, in Milano, lebt ihre Cousine Lila, mit der sie eine schwesterliche Beziehung verbindet – doch die beiden hatten seit vielen Jahren keinen Kontakt. So ist Lila, die mittlerweile eine halbwüchsige Tochter hat, alles andere als begeistert, als Hana/Mark eines Abends vor ihrer Tür steht. Der Erstlingsfilm der italienischen Regisseurin Laura Bispuri ist eine Adaptation des 2014 unter dem englischen Titel «Sworn Virgin» erschienenen Romans der albanischen Schriftstellerin Elvira Dones. Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher, die man zuletzt im Generationendrama «Le meraviglie» (2014) ihrer jüngeren Schwester Alice Rohrwacher bewundern konnte, spielt die delikate Rolle von Hana/Mark mit grossem Einfühlungsvermögen. Ihrem Gefangensein in den unsichtbaren Gefängnissen archaischer Traditionen und ihrer Befreiung daraus folgt man mit atemloser Spannung in einem Film, der die Gender-Thematik gänzlich unideologisch angeht. «‹Vergine giurata› erzählt eindringlich von einer zweigeteilten Persönlichkeit auf der Suche nach ihrer Identität. Von einer Person, die unterschiedliche Geschlechterrollen am eigenen Leib durchexerziert. Ausgehend von einem Schwur, der Freiheit verspricht, Frauen in Wahrheit aber einengt, erkundet Bispuri das Verhältnis zwischen Weiblichkeit, Identität und Freiheit. Sie fängt an im archaischen Albanien und endet in unserer modernen Gesellschaft, in der Frauen – wie die Synchronschwimmerinnen – makellos und angepasst sein müssen. So bleibt die Frage offen, wie frei westliche Frauen heute wirklich sind.» Denise Bucher, züritipp